Neue Antirassismus-Proteste in Westpapua begleitet von Gewalteskalation und Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivisten

26.09.2019: Pressemitteilung des Westpapua-Netzwerkes zur Situation in Westpapua

JAYAPURA/WUPPERTAL (24.09.2019) - Antirassismus-Kundgebungen in den östlichen Papua-Provinzen Indonesiens wurden am Montag von Unruhen, gewaltsamem Durchgreifen von Sicherheitskräften und Gewalt begleitet. In der Hochlandstadt Wamena wurde der Internetzugang für die Bevölkerung gesperrt. Es wird von Aufrufen zu Bewaffnung und Gewalt gegen indigene Papuas berichtet. In Jayapura wurden hunderte Studenten festgenommen. Das Westpapua-Netzwerk schätzt die Lage als sehr ernst ein.

Bereits in der zweiten Augusthälfte kam es zu Protesten, auf die die Sicherheitskräfte mit Gewalt und einer Blockade des Internets reagierten. Die Demonstrationen erfolgten als Reaktion auf die rassistische Diskriminierung papuanischer Studierender durch indonesische Sicherheitskräfte und nationalistische Gruppierungen in den javanischen Städten Malang, Surabaya und Semarang. Angeblich sollen die Studenten am 17. August, dem Jahrestag der Unabhängigkeit Indonesiens eine Nationalflagge geschändet haben. Daraufhin belagerten z.B. in Surabaya fanatische Bürger und Polizisten ein von 40 Papuastudenten bewohntes Heim stundenlang und schrien „Affen. …Hunde …Schweine …kommt raus…wir schlagen euch tot.“ Die Polizei zwang die Studenten, das Heim über die Erde kriechend zu verlassen und nahm sie fest. Dieser entwürdigende Vorfall löste die Wellen von Protesten und Demonstrationen aus. In Manokwari beispielsweise, der Hauptstadt der Provinz Papua Barat, und in Sorong wurden Reifen verbrannt, Strommasten umgelegt Feuer an Regierungsgebäuden gelegt. Am Montag dieser Woche kam es zu neuen Demonstrationen bei denen es nach unbestätigten Berichten zu weiteren Tötungen von Papuas kam.

Die Zentralregierung reagierte mit Festnahmen von Menschenrechtsaktivisten, einer wochenlang andauernden Internetblockade und der Stationierung zusätzlicher Sicherheitskräfte. Darüber hinaus erließ die Regionalpolizei in Papua einen Erlass zum Schutz der öffentlichen Ordnung, welcher die Verbreitung von Informationen sowie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Westpapua weiterhin stark einschränkt. Auch ermutigten die indonesischen Behörden so genannte rot-weiße (pro-indonesische) Milizen und Migrantengruppen, sich mit scharfen Gegenständen, z.B Hackmessern oder metallenen Bögen und Pfeilen, zu bewaffnen und gegen Papuas vorzugehen. Diese horizontalen Konflikte haben bereits Opfer gefordert.

Das bisher schwerwiegendste Ereignis von Gewalt wurde aus der Hochlandstadt Wamena berichtet, wo es am Montag den 23.9. zu 23 Toten und 77 Verletzten aufgrund von Unruhen kam. Unter den Opfern waren sowohl indigene Papuas als auch nicht-indigene Bewohner. Die Polizei schlug den Aufstand mit Waffengewalt nieder. In Jayapura wurden am selben Tag drei Studenten und ein Soldat getötet. [0] Weitere Berichte kamen aus Waghete im Landkreis Deiyai, wo zwischen dem 20. und 30.8. acht Menschen getötet und 51 Demonstranten verletzt wurden. Seit den Zwischenfällen im August kam es in Westpapua und Jakarta zur Verhaftung von 130 Demonstranten und Menschenrechtsaktivisten – gegen viele der Aktivisten wurde eine Strafverfolgung eingeleitet, unter anderem auch gegen die indonesische Anwältin Veronica Koman [1], die sich derzeit im Ausland befindet.

Die Vorfälle des Augusts in Westpapua veranlassten mehrere UN Sonderberichterstatter dazu, eine Pressemitteilung herauszugeben, in welcher sie das Vorgehen der indonesischen Regierung verurteilten. Die indonesische Regierung sei verpflichtet, Menschenrechtsverteidiger und international garantierte Rechte wie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Indonesien zu schützen [2].

Die UN-Menschenrechtshochkommissarin Michelle Bachelet drängte die indonesische Regierung bereits am 4. September 2019 dazu, “mit den Menschen in Westpapua in einen Dialog über deren Bestrebungen und Bedenken einzutreten, die Internetversorgung wiederherzustellen und auf den Einsatz übermäßiger Gewalt zu verzichten. Das Herunterfahren des Internets kann gegen die Meinungsfreiheit verstoßen und die Einschränkung der Kommunikation kann die Spannungen verschärfen." [3]

Das Westpapua-Netzwerk fordert die indonesische Regierung dazu auf, gewaltsame Einsätze des Militärs und der verschiedenen Einsatzkräfte der Polizei gegen die Zivilbevölkerung sofort zu unterbinden, die Versammlungs-, Informations- und Meinungsfreiheit in Westpapua zu schützen, sowie den Zugang nach Westpapua für UN-Menschenrechtsexperten und internationalen Journalisten zu öffnen, um sich ein objektives Bild von der Lage vor Ort machen zu können.

Die Bundesregierung wird aufgefordert ihre Kontakte zur Regierung der Republik Indonesien zu nutzen, um den Worten der UN-Hochkommissarin Nachdruck zu verleihen und den Zugang des Hochkommissariats zu fordern.

Bei Rückfragen wenden Sie sich an Norman Voß, Koordinationsstelle des WPNs, norman.voss@westpapuanetz.de, +49 202 89004 170