Hintergrund - Landrechte

Traditionelle und moderne Bedeutung von Land im Pazifik

Land und dessen Besitz ist in allen Ländern des Pazifiks ein vielschichtiges und kontroverses Thema. Die traditionellen Systeme unterscheiden sich stark von Inselstaat zu Inselstaat. Die Kolonialzeit hat zudem das alte Gefüge stark verändert. In der gegenwärtigen Diskussion über die Bedeutung von Land im Pazifik wird daher meist der Maßstab der so genannten "zivilisierten” westlichen Gesellschaften angelegt.

Doch in den pazifischen Inselstaaten gilt noch heute ein anderer Maßstab. Im Titel des letzten Seminars zu diesem Thema im Jahr 2001 (Unser Land - Unsere Seele" - Landrechte im Pazifik zwischen Tradition und Moderne) ist es schon angedeutet: Land meint im Pazifik und anderswo mehr als nur den Acker oder den Wald. Land bedeutet Identität und Heimat, es ist der Ort der Ahnen und der nachfolgenden Generationen. Vom Land kommt die Nahrung und auch die spirituelle Kraft -Land ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Zugang zu Land wird im jeweiligen soziokulturellen Kontext geregelt und ist nicht gleich bedeutend mit einem Besitztitel im westlichen Sinne. Nicht umsonst steht im Untertitel des Seminars daher LandRECHTE und nicht Landbesitz (Eigentum) im Pazifik. Dem liegt die Frage nach dem Unterschied zwischen Eigentum und Besitz zugrunde: Einzelne Mitglieder der Gesellschaft erwerben typischerweise keine Besitztitel, sondern nur Nutzungsrechte, die temporär oder auch permanent sein können. So ist es möglich, dass das selbe Stück Land von unterschiedlichen Personen zur selben Zeit in unterschiedlicher Weise genutzt wird.

Grundlegend für den Zugang zum Thema ist die Bedeutung der Begriffe "Tradition" und "Moderne". Mit Tradition werden im allgemeinen der Umgang mit Land und anderen Ressourcen beschrieben, also Gebräuche, innerhalb derer überlieferte Rechte weder schriftlich fixiert noch in moderne Gesetzesformen gebracht wurden. Beispiele dafür sind das matai-System auf Samoa, das Titel und traditionelle Landrechte verbindet, oder das System des "Clan-Landes" in Papua-Neuguinea. Unter "Moderne" kann man dagegen den Einfluss westlicher Kulturen im kolonialen und postkolonialen Kontext verstehen. Der westliche Einfluss, nicht selten durch die schonungslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen, führt an vielen Orten im Pazifik zu Protesten und gewaltsamen Krisen. Landrechtsfragen sind daher auch überaus politische Fragen, der Umgang mit ihnen entscheidet über positive und negative Entwicklungsfolgen für die Region. Vielerorts im Pazifik gibt es daher heute Bestrebungen, traditionelle Landrechtssysteme in moderne Gesetzessprechung im Sinne einer Synthese zwischen alter Ordnung und modernen Anforderungen zu integrieren.

Bei der Auslegung und Interpretation von Landrechten gibt es verschiedene Interessengruppen. Dies sind, neben den direkt Betroffenen, lokale Geschäftsleute, unterschiedliche ethnische Gruppen, nationale Regierungen sowie international agierende Konzerne. Im Mittelpunkt des Konfliktes um Land steht derzeit vielfach die Frage, mit welchen "Machtoptionen" die jeweiligen Gruppen ausgestattet sind. Ausländische Direktinvestoren klagen z.B. darüber, dass traditionelle kommunale Landrechte ohne Individualisierung der Landverteilung eine wirtschaftliche Entwicklung blockieren, schweigen sich aber über ihre profitorientierten Partikularinteressen aus.

Zum Seminar ist ein ausführlicher Reader mit allen Beiträgen erschienen. Er ist für 2,- € in der Pazifik-Infostelle zu beziehen.