"Die Kirchen sind unsere einzige Hoffnung!"
23.11.2022: aktuelle Nachrichten aus Westpapua von Pfr. Dr. Siegfried Zöllner
Nachrichten für die Papua-Partnerschaft
„Die Kirchen sind unsere einzige Hoffnung“
In zwei ausführlichen Artikeln unserer lokalen Zeitung wurde über den plötzlichen Tod von Filep Karma berichtet. Filep Karma war ein Symbol für die Willkürherrschaft Indonesiens über das Land Westpapua. Wegen einer Demonstration für die Selbstbestimmung der Papua wurde er im Jahr 2004 zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Amnesty International erklärte ihn zu einem politischen Gefangenen aus Gewissensgründen, dadurch wurde er international bekannt. Amnesty International Schwelm sammelte 10.000 Unterschriften für seine Freilassung. Nach seiner Freilassung im Jahr 2015 besuchte er Deutschland und auch den Kirchenkreis Schwelm und die Amnesty-Gruppe Schwelm.
Die Freilassung Filep Karmas nach 12 Jahren Haft war kein Zeichen einer Entspannung zwischen der indonesischen Regierung und den Wünschen und Hoffnungen der Papua-Bevölkerung. Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Verhaftungen, immer neue Stationierungen von Militärs, Gewalt, diskriminierende Gerichtsverfahren, Rassismus und Ausschluss der Papua-Bevölkerung von politischen Entscheidungen haben zugenommen. Sowohl Amnesty International wie das West-Papua-Netzwerk in Deutschland haben regelmäßig darüber berichtet.
Umso dankbarer dürfen wir sein, dass die Arbeit der Kirchen in Westpapua zurzeit nicht behindert wird. Anfang der 2010er Jahre gab es viele Berichte von brennenden und zerstörten Kirchen, vor allem auf der Insel Java. Etwa 90% der Bevölkerung Indonesiens sind Muslime. Durch Zuwanderung von Indonesiern nach Westpapua wächst auch dort der Anteil der Muslime ständig.
Noch ist der größte Teil der Papuabevölkerung christlich und eng mit den Kirchen verbunden. Ein papuanischer Student in Deutschland sagte mir kürzlich: „Die Kirchen sind unsere einzige Hoffnung“. Die Kirchen müssen ihren Freiraum nutzen, solange es diesen Freiraum noch gibt.
Da gibt es einige gute Nachrichten: (1) Im Juli dieses Jahres fand die große Synode unserer Partnerkirche (GKI-TP) mit mehr als 300 offiziellen Delegierten und mehr als 1000 Gästen statt. Auch wenn die indonesische Regierung das alle fünf Jahre stattfindende Großereignis finanziell unterstützte, konnten alle Delegierten frei anreisen und ihre Angelegenheiten offen diskutieren. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei einer so großen unübersichtlichen Zusammenkunft viele Informanten und auch bezahlte Spitzel das Geschehen im Auge hatten. Darüber wird sich auch die Leitung der Synode im Klaren gewesen sein. Meiner Einschätzung nach ist für die meisten Papua eine Synode nicht der Ort, an dem Menschenrechtsfragen verhandelt werden.
(2) Im September dieses Jahres reiste eine große Delegation unserer Partnerkirche (GKI-TP) zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen nach Karlsruhe. Natürlich hat die indonesische Botschaft alle Kontakte genutzt, um herauszufinden, was z.B. der Kirchenpräsident der GKI in seinen Äußerungen während der Versammlung gesagt hat. Denn es gab eine spezielle Veranstaltung zu Westpapua, auf der offen über Menschen-rechtsverletzungen gesprochen wurde. Aber auf die Abschlusserklärung des ÖRK zu Westpapua konnte die indonesische Regierung natürlich keinen Einfluss nehmen. Auch die Wahl einer papuanischen Theologin in den Zentralausschuss des ÖRK konnte nicht verhindert werden. Die Gewählte wird sich ihren Mund im Zentralausschuss nicht verbieten lassen. Letztendlich war die GKI-TP-Delegation nur teil der Delegation indonesischer Kirchen und diese sind national eingestellt und halten sich mit Kritik an ihrer Regierung zurück.
(3) Der Kirchenkreis Angguruk-Yalimo „feiert“ Ende November (21.-24.) die Kreissynode mit 400 Delegierten in dem kleinen Dorf Kibianggen, zwei Wegstunden vom nächsten Flugplatz entfernt. Die Delegierten des am weitesten entfernten Dorfes werden einen ganzen Tag unterwegs sein. Viele Delegierte und Gäste reisen allerdings mit dem Flugzeug an. Die Yali-Gemeinden sind strukturell in ihre Landeskirche, die GKI-TP, integriert und bilden mehrere Kirchenkreise. Die Kreissynode muss natürlich auch einen Superintendenten und ein neues Leitungsgremium wählen. Der bisherige Superintendent stammt von der Insel Biak und ist wieder an die Küste zurückgegangen und wurde dort in einem anderen Kirchenkreis zum Superintendenten gewählt. Wir dürfen gespannt sein, wer jetzt in Angguruk gewählt wird. Unsere Kontaktperson Natan Pahabol wird uns ausführlich berichten.
(4) Kirchliche Jubiläen mit großen Zusammenkünften finden immer wieder statt und werden oft von den lokalen Regierungen (Provinzen und Landkreisen) finanziell unterstützt. Der fünfte Februar z.B. ist ein Feiertag für ganz Westpapua. Viele Dörfer haben einen Gedenktag zur Ankunft des Evangeliums in ihrem Dorf. Am 4. Dezember werden 17 Gemeinden in der Region Kosarek im Hochland von Westpapua die Ankunft der ersten Missionare in ihrer Region vor 50 Jahren großartig feiern. Die ersten Missionare damals waren Pfr. Klaus Reuter und Siegfried Zöllner. Seit Wochen gehen bei mir Brief ein mit der Bitte um einen genauen Bericht über unsere Erlebnisse damals. Ich habe auf Bitten der Gemeinden gern geantwortet. Ich habe unsere damaligen Berichte ins Indonesische übersetzt und auch ein geistliches Grußwort übersandt.
Es gibt hoffnungsvolle Zeichen dafür, dass die Kirchen in Westpapua lebendig sind. Sie haben immer noch einen Freiraum, den sie nutzen können. Sie müssen sich allerdings den Erwartungen, die jener Student zum Ausdruck brachte, bewusst werden und aufmerksamer als bisher auf die Stimmen der Jugend hören. In unserer Partnerschaft sollten wir darüber nachdenken, ob und wie wir ihnen dabei helfen können.
Schwelm, im November 2022
Siegfried Zöllner