Gestörtes Verhältnis zwischen dem Islam und den Kirchen in Westpapua
15.05.2018: Ein Artikel von Pfr. Dr. Siegfried Zöllner, Schwelm
Seit einigen Jahren beobachten wir, dass das Verhältnis zwischen dem Islam und den Minderheitsreligionen, insbesondere dem Christentum, in Indonesien schwieriger und spannungsgeladener wird. Diese Spannungen haben sich in letzter Zeit auch in Westpapua verstärkt gezeigt. Ich möchte über einige Ereignisse berichten, die in den letzten Tagen die Papuabevölkerung erregt und zu Demonstrationen geführt haben.
Beleidigung der Christen
Anfang April hielt der muslimische Prediger Fadzlan Garamatan eine „Missionspredigt“ in einer Moschee in Java, die in sozialen Netzen, auch YouTube und Facebook, verbreitet wurde. Der Prediger rief darin zur Mission (dakwah) im Hochland von Papua auf. Die Mission (dakwah) sei dringend notwendig, da die christlichen Missionare bisher nichts für die Menschen getan hätten. Sie hätten nichts für die Bildung und die Gesundheit getan, so dass die Frauen noch immer „an der einen Brust ihr Kind und an der anderen ihr Schwein stillen“ würden. Dann würden die Missionare Fotos von unbekleideten Hochlandpapua nach Europa und Amerika schicken und dazu schreiben, die indonesische Regierung sei an dieser rückständigen Lage der Papua schuld. Er äußerte auch andere erniedrigende Sätze über die christliche Mission im Hochland von Papua.
Am 11. April (2018) sammelten sich viele hundert Menschen, Christen aus allen Konfessionen, vor dem Parlamentsgebäude in Jayapura und demonstrierten gegen die erniedrigenden Sätze des muslimischen Predigers, mit denen er die Würde der Papua verletzt habe. Die Kirchenführer verlasen eine Erklärung, die sie den örtlichen Behörden und der Polizei übergaben. Mit der Erklärung forderten sie die strafrechtliche Verfolgung des Predigers.
Andere Forderungen der Erklärung: Die Rückführung von Papua-Kindern, die von diesem Prediger in Koranschulen nach Java gebracht wurden. Die Ausweisung einer Gruppe radikaler Muslime, die der „Front zur Verteidigung des Islam“ (FPI) angehören. Der Präsident wird gebeten, der Provinz Papua den offiziellen Status „Land des Evangeliums“ zu geben. Damit könne das verletzte Selbstwertgefühl der Christen in Papua wiederhergestellt werden.
Fadzlan Garamatan ist selbst ein Papua und stammt aus der Region Fakfak. In der Region Fakfak leben viele Papua, die seit Generationen Muslime sind. Die Zahl der einheimischen Papua-Muslime wird auf etwa 10% der indigenen Papua-Bevölkerung, also ca. 150.000 geschätzt. In der Regel haben die Papua-Muslime ein sehr gespanntes Verhältnis zu den in den letzten Jahren zugewanderten „indonesischen“ Muslimen. Sie habe häufig familiäre Bindungen zu Christen und leben mit diesen im gleichen Dorf in guter Nachbarschaft. Fadzlan Gamaratan soll sich inzwischen entschuldigt und einige Behauptungen zurück genommen haben.
In den letzten Jahren sind allerdings viele muslimische und auch christliche Papua in Java in Koranschulen (pesantren) gelandet, sei es auf Grund falscher Versprechungen oder wie im Falle von Fadzlan aus religiöser Überzeugung. Wenn das Fernsehen über ein pesantren berichtet und sich in der Menge der Schüler ein Papua befindet, richtet sich die Kamera auf dessen gut erkennbares Gesicht und zoomt es heran. So wird dem Fernsehzuschauer vermittelt, dass viele Papua den Islam und seine Bildungsangebote annehmen.
Provokante Moscheebauten
In Sentani wurde eine große, repräsentative Moschee gebaut. Sie trägt den Namen Al-Aksa, also den Namen der berühmten Moschee in Jerusalem. Bei den Verhandlungen zwischen der mehrheitlich christlichen Nachbarschaft und der muslimischen Gemeinde wurde vereinbart, dass das Minarett der Moschee nicht höher sein darf als die Türme der unmittelbar in der Nähe liegenden katholischen und evangelischen Kirchen. Doch das Minarett wuchs und wuchs und bald war deutlich, dass es die Kirchtürme überragte. Es handelte sich um einen Vertragsbruch und gleichzeitig Vertrauensbruch der muslimischen Gemeinde. Verständlich, dass die christliche Nachbarschaft wütend war und Gegenmaßnahmen plante. Es kam zu einer großen Demonstration. Die Kirchen aller Konfessionen schalteten auch die Regierung ein und verlangten ein Einschreiten und Maßnahmen der Regierung.
Der Komplex des Gerichtshofes in Jayapura benötigte für die dort angestellten Mitarbeiter einen Gebetsraum. Es sollte eine kleine Kapelle (Mushola) auf dem Gelände gebaut werden. Doch der Bau wurde ausgeweitet und es entstand eine richtige Moschee. Sie wurde provokativ vor dem Gerichtsgebäude errichtet. Natürlich gab es heftige Proteste. Eine der Begründungen für die Proteste war: Die Moschee zeige an: Wer hier sein Recht sucht, wird nach muslimischem Recht be- oder verurteilt. Bisher galt in Indonesien die Regel, dass Regierungsgebäude religiös neutral sein müssen.
Rassistische Beleidigungen der Papua:
Über Facebook wurde ein zusammengeschnittenes Bild verbreitet. Rechts das Porträt eines älteren intellektuell wirkenden Papua, links daneben in etwa gleicher Größe das Gesicht eines Affen.
Beleidigungen über Facebook sind natürlich an der Tagesordnung, Aber in Indonesien ist diese rassistische Beleidigung der Papua verbreitet und keineswegs die Ausnahme.
Eine solche Beleidigung kann auch immer als Beleidigung der Christen verstanden werden, denn die Papua gelten auch in Indonesien als ein weitgehend christlicher Volksstamm.
Wenn Papua offen über ihre politische Situation sprechen, sagen sie oft, dass sie von den Indonesiern als Tiere angesehen werden.
Dies alles sind keine Einzelfälle. Verständlich, dass die Papua auf Grund solcher Aggressionen und Provokationen wütend werden, aber auch große Sorge um ihre Zukunft haben. Sie sehen die Übermacht des Islam und Indonesiens – einmal ganz abgesehen von den tagtäglichen Menschenrechtsverletzungen, Verhaftungen, Folter und Morden, für die vor allem die Sicherheitskräfte verantwortlich sind. Eine deutliche Mehrheit der Papua wünscht daher eine Trennung von Indonesien.