Ansprache zum Hiroshima-Gedenken in Nürnberg

06.08.2020: Hintergrundinformationen von Physiker Dr. Wolfgang Nick


Liebe Friedensfreunde hier in Nürnberg am 6. August 2020, wir sind hier, weil heute vor 75 Jahren Hiroshima mit einer Atombombe in Schutt und Asche gelegt wurde, drei Tage danach Nagasaki. Hunderttausende von Menschen kamen um.

Hiroshima mahnt uns zu fragen, wie es heute und hier mit der Atomkriegsgefahr aussieht. Ja, auch in Deutschland sind Atomwaffen stationiert, immer noch, und zwar auf dem Bundeswehr-Flugplatz Büchel in der Eifel. Es sind 20 amerikanische Flugzeugbomben, die im Kriegsfall von Bundeswehr-Fliegern transportiert und gezündet werden. Dies Arrangement nennt sich "Nukleare Teilhabe", und es ist völkerrechtswidrig, denn Deutschland hat sich mit dem Atomwaffen-Sperrvertrag verpflichtet, unter keinen Umständen die Verfügung über Atomwaffen von irgendwem anzunehmen.

Von diesen 20 Atombomben in Deutschland geht zunehmend Atomkriegsgefahr aus: sie sollen, wie es so schön heißt, "modernisiert" werden. Die neuen B-61-Bomben sehen den bisherigen täuschend ähnlich: sehen sie die Attrappe der neuen B61-12 in Originalgröße dort!

Alle Termine zum Hiroshima Gedenken finden sich hier: Aber: sie werden eine modernere Elektronik bekommen, ihre Sprengkraft ist einstellbar, sie sollen eine variable Flugbahn fliegen und präzise ins Ziel gesteuert werden können - und sie sollen auch über die Fähigkeit verfügen, einige Meter in den Boden einzudringen und dann erst die atomare Detonation auszulösen, um so auch gehärtete Ziele wie beispielsweise Bunker zu zerstören. All diese Eigenschaften klingen positiv für militärische Atomkriegsplaner. Uns aber sagen sie, dass dies keine "Abschreckungswaffen" sind, sondern dass es sich um flexibel einsetzbare, "smarte" atomare Kriegsführungswaffen handelt. In US-amerikanischen Dokumenten ist klar zu lesen, dass man - gegebenenfalls - auch den Atomkrieg führen und gewinnen will. Für Europa, für uns wäre dies die endgültige Katastrophe! Solche Waffen in kurzer Entfernung zum Gegner steigern die Atomkriegsgefahr eminent! Wir fordern deshalb: Keine "Modernisierung" der Atombomben in Büchel! Und natürlich auch keine neuen Atombomber dazu, wie sie unsere Militärministerin vor einigen Wochen im Schatten der Coronakrise bestellen wollte.

Als "Bewohner des atomaren Schlachtfeldes" verlangen wir den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland. Hiroshima vor 75 Jahren hat uns in einem winzigen Ausschnitt gezeigt, was Atomkrieg bedeutet.

Was ist nötig? Was können wir tun?

Deutschland braucht eine andere Politik. Die gefährliche Konfrontation kann nur gemeinsam mit dem angeblich "bösen" Gegner überwunden werden. Der Übergang zu einer Entspannungspolitik ist notwendig, so wie dies vor 50 Jahren auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges möglich war. Damals wurde die Grundlage für die Überwindung der Ost-West-Konfrontation, für die friedliche Vereinigung Deutschlands gelegt. Deutschland muss endlich dem Atomwaffen-Verbotsvertrag beitreten, der seit drei Jahren bei den Vereinten Nationen zur Unterschrift ausliegt. Dieser Vertrag wurde von der UN-Vollversammlung 2017 mit 2/3-Mehrheit angenommen. Dieser Vertrag steht nicht im Gegensatz zum Atomwaffen-Sperrvertrag von 1970, sondern ergänzt ihn. Ich kann in der heute gebotenen Kürze nicht alle wesentlichen Punkte darstellen. Aber einen: jeder Unterzeichner verpflichtet sich, keinerlei Aktivitäten mit Atomwaffen zu unternehmen oder auf seinem Territorium zu dulden. Also nicht sowas wie diese "nukleare Teilhabe" Deutschlands, dass Bundeswehrpiloten US-amerikanische Atombomben zum Explosionsort fliegen. Das wäre dann klar verboten!

Für eine Bundesregierung, die immer wieder das Ziel der atomaren Abrüstung betont, müsste das selbstverständlich sein. Und wie eine Befragung auch im Jahr 2020 wieder gezeigt hat, will die Mehrheit der deutschen Bevölkerung die Atomwaffen weg haben. Also: die Bundesregierung muss den Atomwaffenverbotsvertrag endlich unterzeichnen und dann die Ratifikation durch den Bundestag einleiten. Weltweit haben bereits 40 Staaten ratifiziert, damit fehlen nur noch 10 für das völkerrechtliche In-Kraft-Treten. Für uns Friedensbewegte reicht so eine Forderung "nur an die Politiker" nicht: wir wollen selbst was tun. Alle Jahre gab es große Demonstrationen am Stationierungsort Büchel, im Corona-Jahr ist dies leider ausgefallen. Viele wollen allerdings durch persönliches Handeln einen Schritt weiter gehen. Öfters finden Sitzblockaden vor den Toren des Atomwaffen-Stützpunkts statt. Und in den letzten Jahren gibt es immer wieder Go-Ins, das heißt, friedensbewegte Aktivisten überwinden den Zaun und dringen in den Fliegerhorst Büchel ein, um auf die Rollbahn zu gelangen und dort die Übungen mit den Atomwaffen-Trägerflugzeugen zu stoppen. Auch ich selbst war einmal dabei. Sie erläutern vor Gericht ihre Motivation, durch die gewaltfreie Aktion Zivilen Ungehorsams die völkerrechtswidrigen Aktivitäten mit Atomwaffen zu skandalisieren. Die Gerichte sehen nur einen "Hausfriedensbruch". Die Aktivisten machen dagegen rechtfertigenden Notstand geltend: durch ihr Handeln wollen sie das weitaus schwerer wiegende Verbrechen von Drohung und evtl. Einsatz dieser Atomwaffen verhindern. Bisher kam es dann regelmäßig zu Verurteilungen von 30-60 Tagessätzen. Ich selbst bin so oft wie möglich als Unterstützer zu diesen Prozessen in Cochem an der Mosel bzw. Koblenz gefahren. Bei der Mahnwache vor dem Gericht habe ich dann dies Plakat getragen: Atombomben in Büchel: deutscher Beitrag zum atomaren Massenmord!

Die Zerstörung Hiroshimas vor 75 Jahren mahnt uns:

  • Wir wollen keine neuen Atomwaffen wie diese hier, und schon gar nicht, wenn sie uns als "Modernisierung" verkauft werden.
  • und natürlich auch keine neuen Bombenflugzeuge dazu!
  • Alle Atomwaffen raus, - Deutschland muss endlich dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten!

Dr. Wolfgang Nick, Nürnberg, Friedensinitiative Nürnberg-Nordost und Mitglied im Trägerkreis des Nürnberger Hiroshima-Gedenkens

Alle Termine zum Hiroshima-Gedenken finden sich hier: www.ohne-ruestung-leben.de/mitmachen/75-jahre-hiroshima-und-nagasaki.html