"Wir Kinder spielten in dem Pulver, das machte Spaß!“
16.03.2011: Eine Zeitzeugin von den Marshall-Inseln berichtet vom Abwurf der Bravo-Bombe auf das Bikini-Atoll: Das Pazifik-Netzwerk gedenkt der Opfer von Atomtests und radioaktiver Strahlung
Am 1. März jährte sich der 57. Jahrestag der Detonation der US-Wasserstoffbombe "Bravo" auf dem Bikini-Atoll. Zwischen 1946 und 1958 testeten die USA auf dem Bikini- und dem benachbarten Eniwetok-Atoll annähernd 70 Atom- und Wasserstoffbomben. Der verheerendste Test fand am 1. März 1954 statt, bei dem durch die Detonation der Wasserstoffbombe mit dem Code-Namen "Bravo" hunderte Inselbewohner im Pazifik radioaktiv verseucht wurden. Diese Wasserstoffbombe hatte eine 2½ mal so hohe Sprengkraft wie vorausberechnet, der Test war trotz ungünstiger Witterungsbedingungen nicht verschoben worden und geriet damit zur schlimmsten Strahlenkatastrophe der US-Geschichte. Der Explosionskrater hatte einen Durchmesser von 2 km und war 76 m tief. Millionen Tonnen von Material wurden in die Luft gerissen und regneten Stunden später als radioaktiver „Schnee“ auf die Bewohner der zu den Marshall Islands gehörenden Inseln Rongelap, Ailinginae, Rongerik und Bikar, auf eine amerikanische Wetterstation und auf die Besatzung eines japanischen Fischkutters nieder.
Lijon Eknilang in ihrer Küche in Ebeye
„Es war nicht leicht, Rongelap zu verlassen. Wir mussten alles aufgeben. Viele Leute können sich nicht vorstellen, warum dieses kleine Rongelap-Atoll für uns so wichtig ist. Es ist unsere Heimat. Dort gehören wir hin. Unser Land, unser Grund und Boden bedeutet uns alles, dort wachsen unsere Lebensmittel, unsere Arzneimittel, dort stehen unsere Häuser, dort ist einfach alles, was wir zum Leben brauchen. Unser Land ist unsere Erinnerung an unsere Verstorbenen, die Seelen unserer Ahnen bewohnen das Land. Unser Land bedeutet alles für uns, und es ist von der US-Regierung zerstört worden. Unser Land zu verlassen fiel uns schwer, aber wir mussten an die Zukunft unserer Kinder denken. Ich weiß, dass es für mich selbst und für viele andere zu spät ist, unsere Gesundheit und unser Leben sind bereits zerstört, aber wir haben an die nachfolgenden Generationen gedacht. Wir möchten nicht, dass unsere Kinder all die Krankheiten bekommen, an denen wir jetzt leiden. Die Geschichte des Volkes der Marshall-Inseln seit den Atombombenversuchen war traurig und schmerzhaft. Wir wollen mit unserer Geschichte und unseren Erfahrungen jetzt dazu beitragen, anderen Menschen solche Trauer zu ersparen.
Ich weiß aus erster Hand, welche verheerenden Auswirkungen auch über längere Zeit und größere Entfernungen Atomwaffen haben und was diese Auswirkungen, über Generationen hinweg, für unschuldige Menschen bedeuten. Ich bitte Sie dringend, zu tun was in Ihrer Macht steht, um zu verhindern, dass sich die Leiden, die wir Marshallesen durchgemacht haben, in irgendeinem anderen Staat der Welt wiederholen. Keine Regierung und keine andere Organisation kann die Gesundheit der Bewohner der Marshall-Inseln wiederherstellen, aber es können Schritte unternommen werden, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass Menschen wieder solche Gräuel erleben.“
Das Pazifik-Netzwerk gedenkt anlässlich der Reaktorkatastrophe in Japan aller Opfer von Atomtests und radioaktiver Verstrahlung und fordert die Weltgemeinschaft dazu auf, sich gegen die Nutzung und den Einsatz nuklearer Energie zu engagieren. Wir sind in Gedanken bei den zahlreichen Opfern des Erdbebens und des Tsunamis und sprechen allen Japanerinnen und Japanern unser tiefes Mitgefühl aus.
Kurze Info: Zwischen 1945 und 1998 wurden "zu Testzwecken" weltweit 2059 Atombomben gezündet, davon über 300 auf und über pazifischen Inseln.
Die Bravo-Bombe über dem Bikini-Atoll