Fischfang nach Fukushima
17.05.2011: Umweltschutzorganisation Greenpeace warnt vor radioaktiv verseuchten Fisch im Pazifik
Fischfang nach Fukushima : Auswirkungen der Atomkatastrophe auf den Pazifischen Ozean
Auch zwei Monate nach dem japanischen Erdbeben vom 11. März tritt Ra-dioaktivität aus den havarierten Reak-toren Fukushima-Daiichi aus. Seitdem gelangen radioaktive Partikel in den Pazifik: Durch Winde und die Einleitung von strahlenverseuchtem Abwasser. Meldungen über Grenzwert-Überschreitungen bei Speisefischen verunsichern die Öffentlichkeit.
Nordöstlich der havarierten Reaktoren liegt eines der drei fischreichsten Ge-wässer der Welt. Die japanische Küsten-fischerei fängt dort die Hälfte der in Japan konsumierten Fischprodukte. Gefangen werden Sardine, Thunfisch, See-hecht, Lachs, Alaska-Seelachs, Makrele, Eidechsenfisch, Meerbrasse, Krabben, Garnelen, Tintenfisch. Dazu kommen Venusmuscheln, Austern und Seetang sowie Produkte aus der überwiegend küstennahen Aquakultur. Diese stellt gut ein Fünftel der gesamten Fischmenge. Fisch ist ein Grundnahrungsmittel in Japan. Der Pro-Kopf-Kopfverbrauch liegt bei über 60 Kilogramm Fisch im Jahr und ist damit fast viermal so hoch wie in Deutschland. Japan ist weltweit der fünftgrößte Fischproduzent und auch der weltweit größte Importeur von Fisch.
Strömung verteilt Strahlung
Vor der Westküste Japans treffen sich zwei Strömungen: Der aus dem Süden nach Norden fließende warme Kuroshio (dt. „Schwarze Strömung“, auch „Japan-strom“ genannt) stößt auf den kalten und weniger salzhaltigen südwärts gerichteten Oyashio (dt. „Elternstrom“). Die beiden bilden zusammen den Nordpazifikstrom. Dieser überquert den Pazifik und teilt sich vor der Küste Amerikas in einen nördlichen (Alaska-Strom) und einen südlich Strang (Kalifornienstrom). Der nördliche Strang gelangt in die fischreiche Beringsee.
Die Heimat der Fischstäbchen
Um Japan herum liegt das Fanggebiet FAO 61 - der Nordwest-Pazifik. Die für den deutschen Markt wichtigsten Arten aus diesem Gebiet sind Alaska-Seelachs, Kabeljau, Scholle und Wildlachs. Der Alaska-Seelachs ist der bedeutendste Speisefisch in Deutschland, auch in Form von Fischstäbchen und Schlemmerfilets.
Auch im benachbarten Fanggebiet FAO 67 – dem Nordost-Pazifik – kann sich aufgrund der Strömung die radioaktive Last weiträumig verbreiten. Genaue An-gaben zur Verteilung der Kontamination im Meerwasser beziehungsweise ihrer Verdünnung gibt es derzeit nicht. Relevante Fischarten im Fanggebiet FAO 67 sind Alaska-Seelachs, Dornhai, He-ring, Kabeljau, Makrele, Rotbarsch, Scholle, Seehecht, Seeteufel und Wildlachs.
Strahlende Fische?
Für den Nahbereich der Kraftwerks-Anlage Fukushima-Daiichi geht man aktuell von einer deutlichen Kontamination des Meeres und der Fische aus. Vor allem das Radionuklid Cäsium-137 wird von Organismen aufgenommen und verstoffwechselt – und reichert sich so in der Nahrungskette an. Zudem hat es eine Halbwertszeit von 30 Jahren. Aufsehen erregten die Ergebnisse einer Untersuchung japanischer Sandaale von der Küste vor Fukushima vom 13. April 2011, die eine mehr als 25-fache Überschreitung der Grenzwerte für Cäsium aufzeigten.
Bisher ist eine radioaktive Belastung der im deutschen Lebensmittelhandel angebotenen Fisch-Produkte nicht wahrscheinlich. Untersuchungen der staatlichen Lebensmittelüberwachung für japanische Importe (Seebrasse, Gelbschwanzmakrele, Makrele und Makrelenfilet) zeigten keine Belastungen.
Fische können eine um hundert Mal höhere Radioaktivität als das sie umgebende Wasser haben. Raubfische gelten generell als schadstoffbelastet, da sich diese über die Nahrungskette anreichern. Raubfische weisen auch höhere Abnormalitäten (wie zu große oder zu kleine Flossen, Veränderungen der Schwimmblase) auf, wenn sie radioaktiv verstrahlt sind.
Gefahren auch für Meeressäuger
Meeressäuger wie Wale, die am Ende der Nahrungskette stehen, sind durch radioaktive Strahlung ähnlichen Gefahren ausgesetzt wie Menschen. Besonders betroffen sind die sich schnell teilenden Zellen. Diese finden sich zum Beispiel in dem für die Blutbildung wichtigen Rückenmark. Weitere Auswirkungen der Strahlenwirkung sind zum Beispiel eine Schwächung des Immunsystems.
Unzureichende Grenzwerte, einge-schränkte Kontrollen Europäische Kommission und EU-Mitgliedsstaaten haben sich zuletzt am 8. April auf international einheitliche Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebens- und Futtermittel aus Japan verständigt. Nach Auffassung von Greenpeace sind die Grenzwerte für Meeresfrüchte und Fisch aus japanischen Gewässern jedoch zu schwach. Die Umweltorganisation fordert die Festsetzung niedrigerer Richtwerte für Strontium und Jod-131. Kritische Strahlenbiologen empfehlen deutlich unter der EU-Regulierung liegende Maximalwerte.
Zudem fordert Greenpeace die Ausweitung der Lebensmittelkontrollen auf den Nordpazifik, die Fanggebiete 61 und 67. Aufgrund der möglichen Verteilung radioaktiver Partikel über die japanischen Küstengewässer hinaus ist die Reduzierung der EU-Durchführungsverordnung auf nur japanische Waren nicht nachvollziehbar.
Greenpeace empfiehlt außerdem eine dauerhafte Überwachung aller Meeresfrüchte und Fische aus dem Pazifik. Dies ist notwendig, um nicht von radioaktiv belasteten Produkten überrascht zu werden.
Der Abdruck dieses Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Greenpeace. Weitere Infos unter www.greenpeace.de