ZDF-Dokumentation bedient Südseeklischees

23.04.2010: Ein Kommentar der Pazifik-Infostelle zu "Abenteuer Südsee"

Südseeklischees zur besten Sendezeit

ZDF bedient in seiner Dokumentarreihe "Traum und Wirklichkeit" gängige Klischees

Im April strahlte das ZDF eine dreiteilige Dokumentarreihe "Traum und Wirklichkeit - Das Weltreich der Deutschen" zu den Kolonien des Deutschen Kaiserreiches aus. Nach den beiden Teilen über die wenig ruhmreiche deutsche Kolonialgeschichte in Afrika widmete sich der dritte und letzte Teil den Gebieten in Ozeanien ("Südsee"). Dokumentiert wurden v. a. die gängigen Klischees, mit denen Deutsche gerne die Südsee verbinden: Atemberaubend schöne Natur und "edle Wilde", Kannibalismus, Heidentum, ein Leben ohne gesellschaftliche Zwänge und freizügige Liebe mit bronzefarbenen Naturschönheiten. Der Zuschauer wähnte sich zeitweilig auf dem "Traumschiff".

In seiner Sendereihe beschreibt das ZDF das Leben in den deutschen Kolonien im Pazifik am Beispiel von Deutsch-Neuguinea und Samoa. Wie in Beschreibungen der ersten Deutschen des 19. und 20. Jahrhunderts werden die Menschen in Papua-Neuguinea als Kannibalen, die das Christentum verachten, dargestellt und ihnen die freundlichen und liebreizenden Samoanerinnen und Samoaner gegenübergestellt. Die in großen Teilen sehr undifferenzierte Darstellung der Kulturen der genannten Gebiete und ihre Reaktion auf die fremden Kolonialherren wird durch die Einspielung von Aussagen namhafter deutscher Kolonialexperten wie Prof. Horst Gründer und Prof. Hermann Hiery wissenschaftlich untermalt. Hierbei wurde jedoch zum größten Teil "vergessen", die Interviewausschnitte in einen umfassenderen Rahmen zu rücken. Das Massaker an den Missionaren und Ordensschwestern der Herz Jesu Mission in Neubritannien (Neuguinea) um Pater Rascher, der die Missionsstation St. Paul "im Herrschaftsbereich eines Kannibalenstammes" errichtete, muss beispielsweise im gesellschaftlichen Gesamtkontext gesehen werden und kann nicht alleine auf die Ablehnung der Religion der weißen Missionare reduziert werden. Immer wieder wird auf den Kannibalismus in Neuguinea eingegangen, dem die weißen Kolonialbeamten und Missionare in den wenigen Jahren ihrer vermeintlichen Herrschaftszeit nicht Herr werden konnten. Eine differenziertere Betrachtung des Kannibalismus bleibt aus. Auch die "zivilisierte" Praktik der Prügelstrafe und der praktizierte Rassismus in den deutschen Kolonien werden nicht genauer thematisiert, ebenso wenig die Frage nach dem Warum des Scheiterns der Kolonialregierung in Neuguinea.

Vielmehr wird viel Zeit damit verbracht, auf den "Sonnenorden" um den Deutschen August Engelhardt einzugehen. Der "erste deutsche Hippie" wollte Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Traum einer nudistischen und vegetarischen (Kokosdiät) Lebensweise auf der neuguineischen Insel Kabakon verwirklichen, blieb jedoch ohne nachhaltigen Erfolg.

In der Darstellung der ZDF-Dokumentation erscheinen dem Zuschauer die Bewohner Neuguineas als wilde Kannibalen, die sich den Regeln der zivilisierten Kolonialherren nicht unterwerfen wollten. Außer Acht wird hierbei gelassen, dass alleine der heutige Staat Papua-Neuguinea (östlicher Teil der Insel Neuguinea) sich als ein äußerst facettenreiches Gebiet mit etwa 800 Kulturen und Sprachen präsentiert, wo in früheren Zeiten beispielsweise der rituelle Kannibalismus nicht überall praktiziert wurde. Auch die Mission ist nicht kläglich gescheitert. Heute leben ca. 96 % Christen (davon 27 % Katholiken und 19,5 % Lutheraner) in Papua-Neuguinea.

Samoa mit seinen "edlen Wilden" verspricht dem Zuschauer schon mehr an Bestätigung seiner romantischen Fantasien. Samoa gilt im herkömmlichen deutschen Kolonialverständnis zwar nicht unbedingt als wirtschaftlicher, jedoch als "humanitärer" Erfolg. "Mit ihrer behutsamen Eingeborenenpolitik wollten die Deutschen ihr Paradies erhalten", so berichtet die Dokumentation. Auch hier werden die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge außer Acht gelassen und sich rein auf das diplomatische Geschick der Kolonialbeamten konzentriert. Unbeachtet blieb, dass chinesische Arbeiter angeheuert werden mussten, da die Samoaner sich weigerten, für die Deutschen zu arbeiten. Gleichfalls zogen die gesellschaftlichen samoanischen Würdenträger ihren Nutzen aus den Allianzen mit den deutschen Kolonialherren, weshalb Samoa zunächst als relativ erfolgreiche Kolonie bezeichnet wurde. Nicht ohne Grund bildet das "Abenteuer Südsee" den Abschluss der Dokumentarreihe. "Anders als in anderen deutschen Kolonien werden die deutschen Vorfahren verehrt", heißt es. In den letzten Minuten der Sendung berichten samoanische Nachfahren deutscher Kolonialherren über ihre deutschen Vorfahren und Eigenschaften. Ohne in der Berichterstattung weiter auf das Verhältnis der Samoanerinnen und Samoaner zu ihren Ahnen und ihrem Totenkult einzugehen, werden deutsche Tugenden romantisiert. Auch hier fehlt eine Reflektion der kolonialen Realität insbesondere in Form der gesellschaftlichen Einordnung der so genannten "Mischlinge" aus Verbindungen von deutschen Kolonialisten und Samoanerinnen und Samoanern.

Diese Dokumentation des ZDF soll den Zuschauer über die deutsche Kolonialgeschichte informieren und wirbt auf der Internetseite mit Unterrichtsmaterialien zu dem Thema. Jedoch verliert sich die Sendung in Klischees von menschenverachtender Gewalt und freizügigem Sex.

Das Pazifik-Netzwerk e.V. würde eine differenziertere Betrachtung der Kolonialgeschichte und der Kulturen im Pazifik begrüßen und lehnt plakative Sendungen wie "Abenteuer Südsee" ab.

Katja Göbel, Pazifik-Netzwerk e.V., info@pazifik-infostelle.org

Zur Info: Im Pazifik-Netzwerk e.V. haben sich im Jahre 1988 Pazifik-Gruppen aus ganz Deutschland zusammengeschlossen. Das Pazifik-Netzwerk hat sich die Aufgabe gestellt, die politische, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Situation der pazifischen Inselstaaten einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dies geschieht in erster Linie durch Publikationen, Vorträge und Seminare. Mit seiner Arbeit unterstützt das Pazifik-Netzwerk Nichtregierungsorganisationen in Europa und in Übersee, die sich für einen atomwaffenfreien und unabhängigen Pazifik einsetzen. Die Respektierung und Vermittlung anderer Lebensweisen und kultureller Werte mit dem Ziel der Völkerverständigung ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Das Pazifik-Netzwerk will dazu beitragen, das Recht auf Selbstbestimmung der Völker im Pazifik im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich durchzusetzen und der zunehmenden Umweltzerstörung und deren Auswirkungen im Pazifik entgegen zu wirken.

Hier der Link zur Sendung: www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/1002730/Abenteuer-Südsee