BLICKPUNKT: Bougainville - Kriegsursache Landzerstörung durch Bergbau

01.06.2001: Kurzinformationen aus dem Pazifik Nr. 4

von Dr. Volker Böge, Universität Hamburg

Auf der Südseeinsel Bougainville wurde von 1988 bis 1998 unbeachtet von der Weltöffentlichkeit ein blutiger Dschungelkrieg ausgetragen. Das war der längste und blutigste Gewaltkonflikt im Südpazifik nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Zerstörung von Land war eine wesentliche Ursache dieses Krieges.

Auf Bougainville nahm im Jahre 1972 eine der damals größten Kupferminen der Welt, die Panguna-Mine, ihre Arbeit auf.

Diese Tagebaumine wurde von einem australisch-britischen Bergbaumulti (Conzinc Riotinto of Australia/Rio Tinto Zinc, heute verschmolzen zu Rio Tinto) betrieben, der aus ihr enorme Profite zog. Die Regierung von Papua-Neuguinea (PNG), zu dem Bougainville staatsrechtlich gehörte, befürwortete das Minenprojekt enthusiastisch, weil man sich davon entscheidende Impulse für die Entwicklung des Landes versprach. Von dieser Art "Entwicklung" profitierten allerdings lediglich die Aktionäre des Bergbaumultis und die "politische Klasse" in der hunderte von Seemeilen von Bougainville entfernten Hauptstadt PNG's, Port Moresby. Die Menschen im Minengebiet hingegen hatten unter den ökologischen Zerstörungen und sozialen Verwerfungen, die mit dem Minenbetrieb einhergingen, zu leiden. Die Mine verursachte eine ökologische Katastrophe. Da den Minenbetreibern keinerlei Umweltschutzauflagen gemacht wurden und keinerlei Umweltschutzmaßnahmen getroffen wurden, kam es zu einer großflächigen Zerstörung von Regenwald und landwirtschaftlich genutzten Flächen, zur Vergiftung der Flüsse und küstennaher Seegebiete und zu einem umfassenden Artensterben. Damit wurde der lokalen Bevölkerung, die von der Subsistenzlandwirtschaft und dem Anbau einiger cash crops (Kakao, Kopra) lebte (und zwar relativ gut), die materielle Existenzgrundlage entzogen. Mehr noch: Ihre gesamte traditionale Lebensweise, die auf das Engste mit dem Land verbunden war, geriet unter Druck.

Land hat in traditionalen melanesischen Gemeinschaften wie auf Bougainville nicht nur materiellen Wert, sondern das gesamte soziale, kulturelle und spirituelle Leben ist auf das engste mit dem Land verbunden. Land ist nicht bloß ausbeutbare Ressource, keine beliebige Ware, die man kaufen und verkaufen kann, kein Privateigentum wie in der westlich-kapitalistischen Vorstellung, vielmehr "gehört" es

der gesamten Abstammungsgruppe, der Familie, dem Clan, als Gemeinschaft, und es gibt ein komplexes Geflecht von primären, sekundären und weiteren Zugangs- und Nutzungsberechtigungen. In dieses Geflecht sind auch die verstorbenen Ahnen und die noch nicht geborenen kommenden Generationen einbezogen. Der Bergbaumulti, der lediglich an der Ausbeutung der Ressource Kupfer interessiert war, ist im wahrsten Sinne des Wortes bulldozer-mäßig über diese Vorstellungen von Land und das Land selbst hinweggegangen.

Dagegen setzte sich die lokale Bevölkerung aus dem Minengebiet zur Wehr. Als sie seit Mitte der 80er Jahre mit immer größerem Nachdruck Entschädigungszahlungen für die Umweltzerstörungen, wirksame Umweltschutzmaßnahmen und einen gerechteren Anteil an den Einkünften aus der Mine forderte, stießen sie bei Bergbaumulti und Zentralregierung auf taube Ohren. Seit 1988 verliehen vor allem junge Leute aus dem Minengebiet durch Sabotageaktionen, die den Minenbetrieb immer wieder still legten, diesen Forderungen Nachdruck. Die Polizei wurde der Bewegung nicht Herr, die Zentralregierung schickte daher Truppen. Diese führten sich auf wie die Besatzer in einem fremden Land, und auf Seiten der lokalen Bevölkerung bildete sich daraufhin die Bougainville Revolutionary Army (BRA), eine Guerilla, die den Kampf gegen die Regierungstruppen aufnahm. Schon in einer frühen Phase der Kämpfe vertrieb die BRA die PNGDF aus dem Minengebiet, besetzte die Mine und legte sie still. Das ist auch noch der heutige Stand der Dinge.

Nicht zuletzt wegen der brutalen, vor allem die Zivilbevölkerung treffenden, Kriegsführung der Regierungsstreitkräfte (Papua New Guinea Defence Forces - PNGDF) gewann die BRA bald Anhänger überall auf Bougainville, der lokale Konflikt um die ökologischen und sozialen Folgen eines Minenprojekts weitete sich aus zum Krieg. Alsbald forderte die BRA die politische Unabhängigkeit Bougainvilles, mithin die Sezession der Insel von PNG.

Erst 1998 konnte ein Waffenstillstand ausgehandelt werden, der bis heute hält. Seither wird an einer dauerhaften Friedensregelung, an Wiederaufbau und Versöhnung gearbeitet. Gleichwohl besteht die Gefahr des Rückfalls in gewaltsamen Konfliktaustrag. Bougainville befindet sich in einer Nachkriegssituation, in der es um "nachhaltige Friedenskonsolidierung" - "post conflict peace building" - geht.

Die politischen Verhandlungen drehen sich vor allem um die Fragen von Autonomie und Referendum. Mittlerweile haben sich die Kontrahenten darauf geeinigt, dass Bougainville zunächst eine umfassende Autonomie mit eigener Autonomieregierung im Rahmen des Staatsverbands von PNG bekommen soll und dass in zehn bis 15 Jahren auch ein Referendum über die vollständige Unabhängigkeit durchgeführt werden soll. Darüber hinaus wird in einer umfassenden politischen Regelung auch die Zukunft der Panguna-Mine geklärt werden müssen.

Zur Zeit ist wohl die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Bougainvilles dafür, dass sie für immer geschlossen bleibt. Überdies haben Angehörige der landbesitzenden Clans aus dem Minengebiet im April 2001 eine US-amerikanische und eine australische Rechtsanwaltskanzlei damit beauftragt, vor dem Bezirksgericht von Los Angeles in den USA Klage gegen Rio Tinto als ehemaligem Betreiber der Panguna-Mine einzureichen. Der Konzern soll nach ihrem Willen wegen Genozid, Mord und Umweltzerstörungen angeklagt und zur Zahlung von mehreren Millionen US-Dollar Schadensersatz verurteilt werden.

Die Anteilseigner haben mittlerweile selber eingesehen, dass sie wohl niemals wieder Zugriff auf "ihre" Mine bekommen werden: Auf der diesjährigen Hauptversammlung der Aktionäre wurde beschlossen, die Panguna-Mine endgültig aufzugeben. Es wird noch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern, die von der Mine und dem nachfolgenden Krieg verursachten Schäden an Land und Menschen auf Bougainville zu beheben. Die Bougainvilleans selber haben mit großem Engagement damit begonnen. Sie bedürfen unserer Unterstützung.

Bougainville: Insel im Südpazifik, geographisch zum Archipel der Salomonen gehörig, staatsrechtlich zum 1975 unabhängig gewordenen Papua-Neuguinea (bis 1914 deutsche Kolonie). Mit 8.800 Quadratkilometern größte Salomonen-Insel (etwas größer als Zypern). Rund 160.000 EinwohnerInnen, die 19 verschiedenen Sprachgruppen angehören.

Sie können den Blickpunkt im Shop der Pazifik-Informationsstelle online bestellen.

Zugehörige Dateien:
BP4-Bougainville.pdfDownload (2070 kb)