BLICKPUNKT: Landrechte, Tourismus und indigene Völker

02.06.2001: Kurzinformationen aus dem Pazifik Nr. 5

von Annette Groth, Stuttgart

Mit fast 11 Prozent am weltweiten Bruttosozialprodukt ist der Tourismus eine der grössten Industrien.

Laut der Welttourismusorganisation (WTO) liegt das Einkommen durch den internationalen Tourismus derzeit bei 621 Milliarden US$, jährlich werden über 800 Milliarden US$ in den Ausbau des Tourismus investiert und mehr als 260 Millionen Personen arbeiten in dieser Industrie. Rund 60 Prozent der Flugpassagiere und 70 Prozent der weltweit zurückgelegten Flugkilometer sind dem Tourismus zuzurechnen, wobei allerdings nur gerade 5 Prozent der Weltbevölkerung in den Genuss einer Auslandsreise kommt.

Die oftmals gewaltsame Vertreibung indigener Völker von ihrem Land und natürlichen Ressourcen (Wasser!) für touristische Zwecke ist eine Realität in vielen 3. Welt Ländern, auch im Pazifik, die allerdings in unseren Medien kaum Beachtung findet.

Zur Zeit kämpfen indigene Hawai'ianer gegen einen Golfplatz, der von der japanischen Luftgesellschaft JAL auf einem Friedhof der indigenen Bevölkerung in South Kona gebaut werden soll. Sie wehren sich gegen eine forcierte Umbettung ihrer Ahnen, deren "Seele nicht mehr in die Natur zurückkehren kann", wenn sie von dem ursprünglichen

Bestattungsort entfernt werden. Statt des Golfplatzes, der Luft, Boden und Grundwasser durch die ungeheuren Mengen an Pestiziden verseucht, die so ein Golfplatz benötigt, fordert die indigene Bevölkerung eine Kulturstätte für indigene Kultur. Damit wollen die Hawai'ianer den zahlreichen Touristen ihre traditionelle Kultur nahe bringen, der durch die forcierte Amerikanisierung bereits großer Schaden zugefügt wurde und die auch viele Amerikaner nicht kennen.

Auch in Moorea /Tahiti wurde ein Friedhof entweiht. Gegen den erbitterten Widerstand der lokalen Bevölkerung wurde heiliges Land für den Bau eines Hotels missbraucht. Zwei Monate haben Umweltorganisationen und die Bevölkerung Mooreas gegen Tourismusinvestoren gekämpft, die die Lagune von Moorea ausbaggern wollten, um 10.000 Kubikmeter Sand für den Ausbau des "Moorea Lagoon Resorts" zu gewinnen

Dieser Kampf hatte Erfolg und auf Geheiss des Französischen Hochkommissariats musste die Bauherrschaft der Hotelanlage die in der Lagune befindlichen Bagger demontieren.

Nun sorgt ein neues Tourismusprojekt in der benachbarten Bucht für Unmut in der Bevölkerung: Eine 4.000 Quadratmeter große Riffplatte - traditioneller Fischgrund der Familien von Paopao - soll zugeschüttet werden, damit Ferien-Bungalows auf dem Meer errichtet werden können.

Die Folgen für die ansässige Bevölkerung wären gravierend, meint Maurice Rurua, der Führer der Gemeinde Paopao.

"Armen polynesischen Familien wird dadurch die Ernährungsgrundlage genommen. Es wird sie abschneiden von ihren traditionellen Fischgründen."

Wird das Projekt realisiert, wären die Fischerfamilien gezwungen, Fisch auf dem Markt zu kaufen, was sie sich nicht leisten können. Zwar würde das Gesetz den Fischern einen beschränkten Zugang zur Meeresküste zusichern, erklärt Rurua weiter, aber in der Regel seien solche Touristengebiete abgezäunt und für Einheimische gesperrt "Was passiert mit unseren Kindern? Wo werden sie fischen lernen?", fragt er verzweifelt. Inzwischen haben die BewohnerInnen von Paopao über 700 Unterschriften gesammelt, um das neue Tourismusprojekt in ihrer Bucht zu stoppen.

Um Tourismus überhaupt zu ermöglichen, werden in vielen Ländern Infrastruktur und Logistik ausgebaut, um historische Denkmäler und einmalige Naturschätze und ihre Bewohner, und das sind fast ausnahmslos indigene Völker, touristisch zu vermarkten.

Je mehr Transportsysteme zu und in Bioreservaten geschaffen werden, desto größer ist das Ausmaß von illegalen Landbesetzungen, Abholzungen und Plünderungen von Bodenschätzen und biologischen Ressourcen und der Biopiraterie.

Das philippinische Umweltministerium hat neulich verlautbaren lassen, dass Ökotourismus einen "negativen Beigeschmack" hat und mit Biopiraterie gleichzusetzen sei. Anfang des Jahres 2000 wurden in den Philippinen drei französische Wissenschaftler mit Proben von Pflanzen festgehalten, die für die Medikamentenherstellung von großem Wert sein könnten.

Es ist ein großes Anliegen indigener Völker, diese zunehmende "Biopiraterie" bekannt zu machen, da nicht nur ihre traditionellen Landrechte in Gefahr sind, sondern auch ihr traditionelles Wissen, das von großen Konzernen zum Zwecke der Patentierung ausgebeutet wird.

Sie können den Blickpunkt im Shop der Pazifik-Informationsstelle online bestellen.

Zugehörige Dateien:
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