BLICKPUNKT: Tourismus verletzt Landrechte auf Tahiti

05.06.2001: Kurzinformationen aus dem Pazifik Nr. 8

von Ulrich Delius, Gesellschaft für bedrohte Völker Göttingen

Wer hat nicht schon einmal von einer Reise in die Südsee geträumt?

Doch der Traum vieler Europäer und Amerikaner ist für die Maohi-Ureinwohner Tahitis und seiner Nachbarinseln schon zum Albtraum geworden. An den Stränden der beliebten Ferieninseln Tahiti, Moorea, Bora Bora und Raiatea entstehen immer neue Hotels für Urlauber. Viele Ureinwohner haben gar keinen Zugang mehr zum Wasser, da internationale Hotelkonzerne die ganze Küste nutzen.

Geschichte

Keine andere pazifische Insel hat in Euroopa in den letzten Jahrhunderten zur Entstehung so vieler Mythen beigetragen wie Tahiti. Der Mythos des sanften, guten, unschuldigen Ureinwohners, der allen Fremden offenherzig und gastfreundschaftlich begegnet, verbreitete sich bei uns schnell, nachdem die ersten Europäer im 18. Jahrhundert auf Tahiti gelandet waren. Dabei leisteten die Maohi erbitterten Widerstand gegen die Kolonisation durch die Europäer. Ungeachtet zahlreicher Revolten erklärte Frankreich 1842 Tahiti zum Protektorat. 1880 wurde das Protektorat zur französischen Kolonie. Noch heute ist Tahiti Teil der französischen Übersee-Besitzung Französisch-Polynesien. Als französisches Überseeterritorium gilt es als integraler Bestandteil Frankreichs, verfügt aber über eine eigene Regierung und ein Parlament, die insbesondere in Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung und Einwanderung umfangreiche Entscheidungsbefugnisse besitzen. Rund 210.000 Menschen leben heute auf Tahiti und den 113 anderen Inseln des Überseeterritoriums.

Atomtests gefährdeten nicht Tourismus

Frankreich nutzte die mehr als 20.000 Kilometer vom Mutterland entfernte Kolonie zwischen 1966 und 1995 zur Entwicklung seiner Nuklearwaffen. Ungeachtet massiver Proteste im In- und Ausland nutzte Paris die Atolle Moruroa und Fangataufa für Atomtests. Noch sind die Folgen der Atomversuche unabsehbar, da sich die französischen Behörden weigern, alle ihre während der Tests gesammelten wissenschaftlichen Daten für eine umfassende Untersuchung der Folgen der Atomversuche zur Verfügung zu stellen.

Repräsentative Umfragen von Hiti Tau, einem Netzwerk polynesischer Nichtregierungsorganisationen, und der Evangelischen Kirche machten jedoch deutlich, dass die Gesundheit vieler ehemaliger polynesischer Arbeiter im Atomversuchszentrum durch die Tests erheblich beeinträchtigt wurde. Auch mehren sich die Stimmen von Wissenschaftlern, die vor einem Auseinanderbrechen der gigantischen Atommülldeponie Moruroa warnen, da das Atoll durch die Atomtests in seiner Stabilität massiv erschüttert worden sei. Ungeachtet dieser Warnungen reisen immer mehr Urlauber aus den USA, Ostasien und Europa nach Tahiti.

Tourismus statt Bomben

Gezielt fördert die Territorialregierung Französisch-Polynesiens den Tourismus, der nach dem Ende der Atomversuche als neues wichtiges Standbein der lokalen Wirtschaft gilt. Der Renner im Tourismusgeschäft sind Bungalowanlagen, die auf Pfählen direkt in die Lagune der schönsten Inseln gesetzt werden.

Während auf Tahiti die Möglichkeiten zum Bau solcher Anlagen begrenzt sind, entstehen auf Bora Bora immer neue Großprojekte. Dabei sind viele bestehende Hotelanlagen nur zu 50 % ausgelastet, so dass durch den Bau immer neuer Hotels die Schaffung von Überkapazitäten droht. Doch Investoren können sich auf die bedingungslose Unterstützung durch die Territorialregierung verlassen, die mit günstigen Abschreibungsmöglichkeiten und anderen Anreizen immer neue Geldgeber auf die Inseln lockt. Der Übereifer der Behörden entspringt nicht etwa der Begeisterung für die Projekte, sondern vor allem der Großzügigkeit der Investoren. So sorgen viele ausländische Geldgeber mit Schmiergeldern dafür, dass ihren Vorhaben keine Steine in den Weg gelegt werden. Mehrfach wurden Politiker und hohe Verwaltungsangestellte bereits vor Gericht der Bestechlichkeit angeklagt.

Tourismus verletzt Rechte der Maohi

Immer häufiger protestieren Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen der Maohi gegen gigantische Tourismusprojekte, weil sie die Kultur und Landrechte der Urbevölkerung verletzen und das ökologische Gleichgewicht auf den Inseln gefährden.

Das Wachstum der Tourismusindustrie führt zur Aushöhlung der traditionellen Landrechte der Maohi. Bislang werden die Landansprüche von Maohi, die seit Generationen auf ihrem Land leben, vom französischen Recht nicht anerkannt. Immer mehr Maohi strengen jedoch komplizierte Verfahren an, um ihre traditionellen Landrechte durch die französischen Behörden anerkennen zulassen. Denn Land ist für die Ureinwohner kein Verkaufsgegenstand, sondern eine heilige Stätte der Ahnen, die der gesamten Großfamilie und nicht einem individuellen Eigentümer gehört. Es ist nicht verkäuflich, da es die Menschen ernährt und von den Ahnen übertragen wurde.

"Wir werden uns bald auf den Korallenbänken wiederfinden, die draußen vor unseren Inseln liegen. Immer häufiger werden wir im Namen des Tourismus von unserem Land vertrieben," erklärt Gabriel Tetiarahi vom polynesischen NGO-Netzwerk Hiti Tau. Seine Organisation engagierte sich in zahlreichen Kampagnen gegen umstrittene Tourismusprojekte.

Maohi wehren sich gegen die Zerstörung ihres Landes

Mit einer breiten Protestkampagne verhinderten Ureinwohner 1991 den Bau eines Luxushotels und eines Golfplatzes in der landschaftlich einzigartigen Bucht von Opunohu auf der Insel Moorea. Angesichts der Proteste musste die Territorialregierung die Bevölkerung in einer Volksabstimmung zur Zukunft des Projekts befragen. Mit einer deutlichen Mehrheit sprachen sich die Bewohner der Insel gegen das Großprojekt aus. Mit einer mehrmonatigen Bauplatzbesetzung leisteten die Maohi auch auf Tahiti 1992 Widerstand gegen den Bau des Hotels "Le Méridien" in einem Park in Rivnac. Der südlich der Hauptstadt gelegene Park war mit seinem Strand eines der wenigen Grüngebiete, die noch einen öffentlichen Zugang zum Meer boten. Schülerinnen und Schüler kamen dorthin zum Schwimmen. Viele junge Maohi kennen nicht mehr die Fischtechniken ihrer Vorfahren, die als Fischer und Seefahrer eine vorzügliche Kenntnis des Meeres hatten. Mit der Bebauung dieser letzten offenen Strände drohte den Maohi nicht nur der Verlust ihres Kontaktes zum Meer, sondern auch ihrer Identität. Auch befand sich auf dem Gelände in Rivnac eine heilige Stätte der Ureinwohner. Die Investoren und die Territorialregierung kümmerte es wenig, sie setzten 1998 mit monatelanger Präsenz von bis zu 800 Bereitschaftspolizisten den Bau des Hotels durch. Die religiöse Stätte wurde zerstört. Weitere Konflikte sind vorprogrammiert, da die Territorialregierung an der bedingungslosen Förderung touristischer Großprojekte festhält.

Spendenaufruf:

Hiti Tau ist auf der Suche nach Finanzmitteln für den Transport und den Aufenthalt von Experten für die Vanille-Pflanzenaufzucht, die auf den von Tahiti weit entfernten Marquesas-Inseln leben. Sie sollen Vanille-Pflanzungen von Hiti Tau auf Tahiti betreuen und zugleich dort einen Einblick in die Arbeit des Netzwerkes bekommen. Da die Überweisungen nach Tahiti sehr teuer sind, hat die GfbV ein Konto eingerichtet im Namen des Humanitären Kontos der GfbV:

Humanitäre Hilfe, Gesellschaft für bedrohte Völker, Stichwort: Tahiti/Hiti Tau, Postbank Hamburg, Ktonr. 000 7400 201, BLZ 200 100 20.

Sie können den Blickpunkt im Shop der Pazifik-Informationsstelle online bestellen.

Zugehörige Dateien:
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