Juliette Pita "Zyklon Pam. 13. März 2015"

24.02.2021: Video-Bildmeditation zum diesjährigen Weltgebetstag aus Vanuatu "Worauf bauen wir?"

Hier der Link zur Video-Bildmeditation: youtu.be/B4QCUBHUp-s

Welcome long Ribaplik long Vanuatu!

Die 57-jährige Künstlerin Juliette Pita hat das Weltgebetstagsbild gemalt. Es heißt „Zyklon Pam“. Ich möchte mit Ihnen dieses Bild entdecken und dabei eintauchen in die Geschichte und Kultur von Vanuatu. Der Name setzt sich zusammen aus "vanua"- die Inseln und "atu"- sich erheben. Vanuatu = die Inseln, die sich aus dem Meer erheben.


1.Vanuatu – das sind 83 tropische Inseln östlich von Australien. Kokospalmen stehen an Stränden und auch im gebirgigen Inneren der beiden größten Inseln Efaté und Espiritu Santo. Vanuatu leidet unter den Auswirkungen des globalen Klimawandels. Am 13. März 2015 trifft der weltweit bisher schlimmste tropische Wirbelsturm, der Zyklon Pam, mit einer Windgeschwindigkeit von bis zu 300 km/h auf die Inseln. Die Palmen biegen sich unter der Last des Sturmes. Hohe Wellen brechen über die Küsten herein. Die Kreuzfahrtschiffe mit zahlungskräftigen Touristen an Bord wirbeln durcheinander. Auch Fische sind in den Monsterwellen zu erkennen. Das hereinbrechende Salzwasser schädigt die Nahrungspflanzen, links am Bildrand steht bereits ein abgestorbener Baum. Die Natur ächzt unter dem Ansturm der Winde.

Doch die Palmen halten dem Sturm stand, sie brechen nicht. Sie verlieren auch ihre kostbarste Frucht nicht: Die Kokosnuss, von dessen Wasser die Menschen ihren Durst stillen, dessen Fleisch sie essen, dessen Fasern sie zu Bast verarbeiten und dessen Blätter sie zum Dachdecken benutzen.

„Wir konnten nichts sehen, nur beten. Das haben sicher alle in Vanuatu gemacht, auch die, die noch nie in ihrem Leben gebetet haben.“, schildert Juliette Pita.

Ich frage: Für welche Kostbarkeit in unserem Leben sind wir dankbar? Wann beten diejenigen unter uns, die noch nie in ihrem Leben gebetet haben?

2.Der Wirbelsturm ist schon ganz nahe. Die Wolken ballen sich zu einem großen weißen Kreis. Im Auge des Sturms herrscht eine gespenstische Stille. Die Zunahme tropischer Wirbelstürme ist eine direkte Folge des Klimawandels. Trotz eines ausgeklügelten Frühwarnsystems können sich die Menschen nicht immer schnell genug in Sicherheit bringen. Sicherheit, das heißt, alles stehen und liegen lassen, die Kinder auf den Arm zu nehmen und so schnell wie möglich vom flachen Sand-strand wegzurennen ins Landesinnere, um dort Schutz zu suchen in Gebäuden oder eigens dafür genutzten Containern. Nach dem Sturm dann die Rückkehr in ein verwüstetes Land mit zerstörten Gärten, einer unbrauchbaren Ernte, versalzenem Ackerland und kaputten Hütten und Häusern.

Doch es gibt Hoffnung- hinter dem Zyklon ist schon der Horizont zu sehen, dort brechen Sonnen-strahlen durch die Wolken und versprechen einen neuen Tag und einen neuen Anfang.

„Am nächsten Morgen sahen wir, dass alles zerstört war. Kein grünes Blatt hing mehr an den Bäumen. Alles war nur noch braun und grau. Wir hatten kein Essen mehr. Unsere Vorräte waren weg.“ Juliette Pita.

Ich frage: Wann erleben wir stürmische Zeiten? Wo ist unser Lichtstreif am Horizont?

3.Eine zweite Naturkatastrophe bricht herein, schon spuckt der Vulkan Yasur auf der Insel Tanna Feuer und Asche in die Luft, die Lava fließt die Hänge herab. Vanuatu liegt auf dem pazifischen Feuerring (ring of fire). Die Menschen sind an Erdbeben gewöhnt, wenn sich die tektonischen Platten verschieben. Auch Flutwellen (Tsunamis) gehören zum Lebensalltag der rund 303.000 InselbewohnerInnen. Der vulkanische Untergrund macht die Inseln jedoch auch zu einem tropischen Paradies. Die Natur ist fruchtbar und vielfältig. Früchte und Gemüse gedeihen in dem feucht-heißen Klima und die Menschen können sich von den Erträgen aus ihren Gärten ernähren. Traditionelle Knollenfrüchte werden im Erdofen stundenlang gegart. Fisch gibt es täglich, ein Schwein wird nur zu Festen oder besonderen Anlässen geschlachtet. Für Krisenzeiten wird vorgesorgt: Mit Desaster Food - Das besteht aus getrocknetem Bananenbrei oder Brotfruchtbaum-Brei, der in Bananenblätter eingewickelt wird und im Erdboden die Unwetter übersteht und für die erste Zeit nach Naturkatastrophen überlebensnotwendig sein kann.

Ich frage: Welche Kraftreserven, welches desaster food, haben wir für uns zurückgelegt und wann greifen wir auf dieses zurück?

4. Vierundzwanzig Menschen sind bei dem Zyklon Pam gestorben und auf dem Friedhof begraben. Die Kreuze ragen wie Mahnmale in den blutroten Himmel. Oft liegen die Gräber nahe am Meer. Steigt der Meeresspiegel wegen des Klimawandels weiter an, werden die Gräber weggeschwemmt. Die Lebenden verlieren dadurch den Kontakt zu ihren Verstorbenen. Das Verhältnis zwischen Lebenden und Toten auf den pazifischen Inseln ist ganz anders als bei uns. Die Verstorbenen, die Ahnen, ge-hören zum Leben dazu. An den Kreuzen auf den Friedhöfen liegen oft rechteckige Steinplatten. An Sonn- und Feiertagen kommt die Familie auf diesen Platten zusammen. Eine Matte wird ausgebreitet, man setzt sich zu den Toten und picknickt, lacht, erzählt sich Geschichten oder hört Musik aus dem Ghettoblaster. Damit ehren die Lebenden ihre Verstorbenen und preisen das Land, auf dem sie geboren sind, auf dem sie lebten und auf dem sie nun begraben sind. „Land ist Leben“ heißt es im Pazifik. Und zum Leben gehören die Toten dazu.

Ich frage: Wer wird einmal an meinem Grab stehen und Geschichten über mein Leben erzählen?

5.Der steigende Meeresspiegel nagt an den Inseln. Als Folge des Klimawandels hat sich das Re-genmuster geändert. Die Subsistenzbauern können die Fruchtwechselfolge nicht mehr vorauspla-nen. Die Durchschnittstemperatur steigt und insgesamt fällt weniger Regen. Das führt zu Ernteaus-fällen. Andererseits kommt es immer wieder zu extremen Starkregen, der alles überschwemmt und große Schäden anrichtet. Auf vielen Inseln gibt es keine natürlichen Süßwasserquellen, so dass die Menschen abhängig sind vom Regenwasser. Der Ackerboden ist kostbar - vor Erosionen schützen ihn die Mangroven im Gezeitenbereich des Ozeans. Diese salzresistenten Luftwurzler brechen die Wellen und bilden eine schützende Hülle für die Meerestiere und die Unterwasserwelt. Mangroven können die Küste und damit auch die Menschen schützen. So wie die Mangrove im Meer lebt und im Boden haftet, ist auch der Mensch mit dem Land verbunden und in ihm verwurzelt.

Ich frage: Unter wessen Schutz können wir leben? Und wer teilt mit uns diesen Schutz?

6.Die Mutter trägt einen traditionellen Bastrock, wie er auf der Heimatinsel der Künstlerin (Er-romango) geflochten wird aus getrockneten Palmblättern und Kokosbastfasern. Am Muster der Röcke erkennen die Frauen, woher die Trägerin kommt. Früher trugen die Ni-Vanuatus keine syn-thetische Kleidung. Auch Plastik lehnen sie ab. Seit 2018 herrscht in Vanuatu das strengste Plastikverbot weltweit. Keine Strohhalme, kein Einweggeschirr, keine Pampers, keine Tüten dürfen mehr verkauft werden. Zum Einkaufen flechten die Frauen Körbe. Das Plastikverbot soll Müllberge an Stränden und im Land verhindern. Nichts soll den Eindruck einer paradiesischen Insel trüben, denn die Haupteinnahmequelle des Landes ist der Tourismus.

Der Bastrock endet in der Form eines Fischschwanzes, denn vom Fisch und den Meeresfrüchten ernähren sich die Menschen. Ein Anstieg der Meerestemperatur führt zum Absterben der temperaturempfindlichen Korallen, diese bieten keine Nahrung und keinen Rückzugsort mehr für laichende Fische, der Fischreichtum in Küstennähe geht zurück und die Männer fischen immer weniger Fische. Sie müssen die Küstengewässer verlassen und weit raus fahren auf die hohe See, um genug Fisch zu erbeuten. Oft kehren die Männer von diesen gefährlichen Fahrten nicht zurück.

Am unteren Rand des Bastrockes sieht man noch ein Stück Matte. In Vanuatu sitzen Frauen auf Matten, bereiten darauf das Essen vor, stillen ihre Kinder. Eine Matte repräsentiert Heimat, Tradi-tion und Werte. Jede Insel hat eigene Muster, in denen sich Religiöses und Tradition widerspie-geln. Matten spielen eine wichtige Rolle, zum Beispiel bei Tauschzeremonien, um Vereinbarungen zu besiegeln, um Beziehungen zu stärken oder als Brautpreis. Matten findet man in Häusern, dort, wo die Familie zusammenkommt, unter Bäumen oder vor Kirchen. Eine ausgebreitete Matte ist eine Einladung, sich zu setzen, Gast zu sein, mit zu essen und am Gespräch teilzunehmen.

Ich frage: Wen möchtest Du auf Deine Matte einladen? Mit wem teilst Du Dein Brot?


7. Auf der Matte steht die Signatur der Künstlerin. Undong katom. Das ist Juliette Pitas Name in ihrer Heimatsprache. 113 Sprachen werden auf den Inseln gesprochen. Damit ist Vanuatu das Land mit der höchsten Sprachendichte weltweit. Die gemeinsame Sprache heißt Bislama, auch Englisch und Französisch sind offizielle Amtssprachen. Bislama ist eine auf dem Englischen basierende Pidginsprache. Sie ist um 1900 entstanden, als viele Menschen zur Arbeit in den Plantagen gezwungen wurden. Vanuatu war aber keine Kolonie, sondern ab 1906 ein britisch-französisches Kondominium. 1980 wurde Vanuatu unabhängig und gab sich das Staatsmotto: „Long God Yumi stanap“- Mit Gott bestehen wir. Dieses Motto wird von den Menschen gelebt, der Happy Planet Index nennt die Menschen von Vanuatu die glücklichsten Menschen weltweit und wo immer auf der Welt man einem Ni-Vanuatu begegnet, bekommt man ein strahlendes, fröhliches Lächeln.

Ich frage: In welcher Sprache sprichst du mit Deinen Mitmenschen? In der Sprache von Hass, Gewalt und Unfrieden oder in der Sprache der Liebe und Barmherzigkeit?

8.In der Bildmitte beugt sich die stillende Mutter über ihr Baby. Ganz fest hält sie es im Arm, während das Kind an der Brust trinkt. Die Hände betend erhoben, um Schutz flehend für sich und ihr Kind. Pechschwarz sind die Haare der Beiden, denn sie sind Melanesier. „Mela“ heißt schwarz im Griechischen und Melanesien heißt auch die Region im Westen des Pazifischen Ozeans mit den großen Inseln Neuguinea, den Salomonen und Neukaledonien. Die Menschen hier haben sehr schwarze Haut und schwarze Haare. Der breite Rücken der Mutter schützt das Kind vor der Natur-katastrophe. Die Frauen bilden das Rückgrat der melanesischen Gesellschaft. Sie kümmern sich um den Haushalt und die Kinder, pflegen die Alten und engagieren sich in der Kirche. 83 % der Einwohnerinnen sind Christen, vor allem Presbyterianer. Viele Mädchen gehen nicht in die Schule, weil sie den Müttern im Haushalt und in den Gärten helfen müssen. Die Ni-Vanuatus sind genügsam. Sie sind dankbar für das, was ihnen die Natur schenkt. Ein Dach über dem Kopf, ein Wickelrock, genug zu essen, etwas Kochgeschirr und die Möglichkeit, überflüs-siges Obst und Gemüse auf dem Markt zu verkaufen, um das Schul- bzw. Internatsgeld für die Kinder aufbringen zu können und Medikamente kaufen zu können. Das reicht zum Leben.

Ich frage: Auf welche Konsumgüter könntest Du gut verzichten? Wie kannst Du genügsamer leben?

Worauf bauen wir? fragen die Frauen von Vanuatu. Sie bauen auf Gott. Auf wen baust Du?

Copyright am Text: Julia Ratzmann, Pazifik-Informationsstelle, Hauptstraße 2, 91564 Neuendettelsau. www.pazifik-infostelle.org, info@pazifik-infostelle.org