Operation gelungen - Patient tot?

01.02.2001: Eindrücke eines Besuches der Ok Tedi-Mine im November 2000

Es ist ein wolkenverhangener Tag Anfang November 2000. Die Szenerie in Bige wirkt gespenstisch wie eine Geisterlandschaft. Es ist still, kein Vogel ist zu hören, entlang des schlammig-trüben Flusses ist der tropische Auenwald in einem breiten Streifen abgestorben. Wie mahnende Zeigefinger deuten die ausgebleichten Baumskelette in den Himmel. Wir stehen am Unterlauf des Ok Tedi in Papua-Neuguineas westlichster Provinz direkt an der Grenze zur indonesischen Provinz Irian Jaya. Hier, im Tieflandregenwald am Fuße der Star Mountains, sind die fatalen ökologischen und sozialen Konsequenzen des Kupferabbaus in der Ok Tedi Mine deutlich zu spüren. Seit der Inbetriebnahme der Mine vor 16 Jahren werden täglich 110.000 t Minen-Abraum ('waste rock') und weitere 80.000 t kupferhaltigen Bearbeitungsrückstände ('tailings') in das Flusssystem eingeleitet. Dies ergibt eine jährliche Gesamtmenge an Produktionsrückständen von über 70 Mill. T, die ungehindert in das Flusssystem geleitet werden. Die Fläche des abgestorbenen Auenwaldes entlang des Unterlaufs des Ok Tedi und des mittleren Fly Rivers, im Englischen treffend als "dieback" bezeichnet, wird auf mind. 900 qkm geschätzt - andere Prognosen der Weltbank gehen von bis zu 1.400 qkm aus. Zwar behauptet die Betreibergesellschaft Ok Tedi Mining Limited (OTML), ein Konsortium, an dem neben dem australischen Hauptanteilseigner Broken Hill Propriety (BHP, 52%) auch der Staat Papua-Neuguinea (30%, davon die Regierung der Western Province mit 12,5% und lokale Landbesitzer mit 2,5%) sowie die kanadische Inmet Mining (18%) beteiligt sind, dass die Vegetation zurückkehrt. Doch der auf den permanent überschwemmten und versumpften Flächen aufwachsende Unterwuchs aus Gras und Büschen hat wenig mit dem ursprünglichen Artenreichtum des intakten Primärregenwald gemeinsam. Das Ökosystem ist auf viele Jahrzehnte irreparabel geschädigt. Leider gibt es bis heute keine umfassenden und unabhängigen Studien, die diese massive Umweltzerstörung wissenschaftlich dokumentieren. Jedoch sind die Beteuerungen von Vertretern der Betreibergesellschaft geradezu zynisch, die von der natürlichen Rehabilitierung des Gebietes innerhalb weniger Jahre sprechen.

Den das Grundproblem hat sich seit der Aufnahme des Minenbetriebes im Jahre 1984 nicht geändert: Die durch die Mine verursachten Umweltschäden wirken sich massiv auf mindestens 50.000 Menschen in etwa 120 Dörfern entlang des Ok Tedi und des mittleren und unteren Fly Rivers aus. Durch die Verlandung der Flussaue überschwemmen die Fluten des Ok Tedi die traditionellen Gärten der Flussanwohner mit oft meterdicken Sedimenten, die dieses Land über Generationen unfruchtbar machen. Zudem hat das gesamte Projekt zu einem tiefgreifenden soziokulturellen Wandel in der Region geführt. Vormals intakte Clanstrukturen wurden durch die Einführung der Geldwirtschaft innerhalb kurzer Zeit zerstört. Neben Migration und Verelendung der aus dem Hochland Zugewanderten am Rande der Minenstadt Tabubil, sind Alkoholmissbrauch, Glückspiel, und einen steigende Kriminalität die schwerwiegendsten Folgen des Minenbetriebes.

Zusammen mit Moses Otis und andere Landbesitzern fahren wir über die 200 ha große Sanddeponie in Bige. Hier wird ein Teil des in den Fluss gekippten Abraums, wie , wieder ausgebaggert. Otis erzählt uns während der Fahrt im firmeneigenen Land Cruiser, dass der Fluss vor der Mineneröffnung wunderschön grün war, sehr fischreich und an beiden Ufern von Gärten gesäumt wurde. Die Gärten der Flussanwohner sind nun unter einer meterdicken zähen Schlammschicht begraben, und im Gegensatz zu früher kann nur noch einmal im Jahr geerntet werden, dann muss mit Kunstdünger nachgeholfen werden. Es wirkt geradezu naiv, wenn der leitende Agraringenieur (übrigens ein Australier) uns stolz Ananas und Erdnüsse präsentiert, die auf dem Damm der Deponie wachsen. Beide Pflanzen gehören nicht zu den traditionell in den Waldgärten angebauten Feldfrüchten. Otis wirkt daher skeptisch, wenn der Agrarfachmann von zukünftigen Plantagen und zu erwartenden Einkünften aus dem Export der Feldfrüchte spricht. Die Deponie ist zudem eine tickende chemische Zeitbombe: Begünstigt durch das tropische Klima können giftige Schwermetallverbindungen durch entstehende Schwefelsäure noch Jahrzehnte nach Schließung der Mine aus dem abgelagerten Material aussickern und die Umwelt vergiften. Bislang hat OTML für dieses Problem keine überzeugende Lösung gefunden, wenn es sie überhaupt gibt. Auf die Frage, wer nach der Schließung der Mine die Artung der Deponiefläche übernimmt, reagiert OTML jedenfalls recht ausweichend mit einem allgemeinen Verweis auf den Minen-Schließungsplan.

Seit Anfang des letzten Jahres ist, durch die Veröffentlichung einer Weltbank-Studie, die Diskussion um den Fahrplan bis zur Schließung der Mine voll im Gange. Aus ökologischer Sicht müsste die Mine sofort geschlossen werden, um eine weitere Schädigung der Umwelt zu verhindern, urteilen die Weltbank-Experten. Gleichzeitig würde eine sofortige Schließung aber katastrophale soziale Konsequenzen für die betroffenen Menschen in der Region bedeuten, da es derzeit keinen umfassenden Strategieplan für die Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklung in der Region gibt. Viele der Verfahren zur Zahlung von Entschädigungen der Landbesitzer laufen noch, weitere werden, wie am mittleren und unteren Fly River, gerade erst begonnen. Auch gibt es immer wieder Kritik daran, dass die gezahlten Millionenbeträge von Kina nur einem geringen Teil der betroffenen Bevölkerung zugute kommen. "BHP macht einen Riesenwirbel um die sozialen Vorteile der Mine, die aber nur einem kleinen Teil der Betroffenen zugute kommen", so resümiert Rex Dagi, Landbesitzer am Ok Tedi und einer der Hauptkläger in der derzeit in Australien laufenden neuen Entschädigungsklage. Zudem sind, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die nächsten 9 Jahre bis zur geplanten Minenschließung im Jahre 2010 für die Betreiber die lukrativsten. "The best years are yet to come", so sagte uns ein Ingenieur denn auch während der Besichtigung der Mine. OTML, die erst 1997 überhaupt in der Lage war, erstmals eine Dividende an die Aktionäre auszuzahlen, kann angesichts von Investitionen in Höhe von etwa 1,9 Mrd. US$ kein Interesse an einer vorzeitigen Schließung der Mine haben.

Die Regierung von Papua-Neuguinea hat, wie übrigens auch die Landbesitzer, die von den direkten Pachtzahlungen profitieren, ebenso kein erkennbares Interesse an einer vorzeitigen Schließung der Mine, erwirtschaftet sie doch 20 Prozent der Exporterlöse des Landes und trägt mit 10 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Wirtschaftliche Überlegungen stehen in Port Moresby, der Hauptstadt des krisenanfälligen Landes, weit über dem Schutz der traditionellen Rechte der Landbesitzer am Ok Tedi und Fly River. Die Regierung von Papua-Neuguinea hat zudem bislang keinerlei Erfahrung mit der geordneten Schließung und Rehabilitation eines seiner großen Bergbauprojekte (wenn man von der Mine auf Bougainville einmal absieht). Bislang existieren noch nicht einmal entsprechende nationale Gesetze, die die Schließung eines solchen Großprojektes regeln und eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung in der betroffenen Region garantieren würden. Auch hier mit Unterstützung der Weltbank, wird derzeit die entsprechende Gesetzgebung vorbereitet. Im Dezember 2000 veröffentlichte die Betreibergesellschaft selbst einen ersten, über 200 Seiten starken, Minenschließungsplan ("OTML Rehabilitation and Closure Plan") mit zahlreichen Anhängen. Er gibt bislang nur einen relativ allgemeinen Überblick über die zu treffenden Entscheidungen und kann nur als erster Schritt in einem umfassenden und demokratischen Diskussionsprozess gesehen werden. Das öffentliche Interesse am Schicksal von Ok Tedi ist derzeit im Lande jedenfalls auf einem Tiefpunkt, das wurde in Gesprächen mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen in Port Moresby im Anschluss an den Besuch der Mine deutlich . Interessanterweise will sich BHP aus seiner Beteiligung an der Mine so bald wie möglich zurückziehen. Paul Anderson, Vorstandvorsitzenden von BHP, sah sich kürzlich zu der Aussage veranlasste die Mine sei "ein finanzielles und ökologisches Desaster". Dies ist vielleicht aus unternehmenspolitischer Sicht nur konsequent. Es scheint aber, dass BHP derzeit versucht, sich vor der Verantwortung für die ökologischen und sozialen Folgen der Mine durch einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Betreiber-Konsortium zu drücken. Die Regierung verhandelt derzeit mit dem amerikanischen Bergbaukonzern Atlas über die Übernahme der BHP-Anteile. Sir Michael Somare, derzeit PNG-Bergbauminister, erklärte dazu, der neue Anteilseigner würde von jeglichen Verpflichtungen auf Entschädigungszahlungen befreit werden. Dies fordert übrigens auch BHP für den Fall des vorzeitigen Rückzuges aus dem Projekt. Es ist angesichts dieses politischen Taktierens völlig unklar, inwieweit BHP überhaupt für die ökologischen und sozialen Zerstörungen in der Region zur Verantwortung gezogen werden kann.

Es ist derzeit noch zu früh, zu beurteilen, ob die von OTML veröffentlichte Strategie zur nachhaltigen Entwicklung der Region überhaupt ausreichend, und der Zeitplan zudem realistisch genug ist, um von allen Beteiligten akzeptiert zu werden. Die breite Akzeptanz der Schließungspläne ist nicht zuletzt davon abhängig, wie umfassend die vielfältigen, und zum Teil auch widersprüchlichen, Interessen der betroffenen Bevölkerung im weiteren Prozess wirklich berücksichtigt werden. Das soziale Konfliktpotential der in wenigen Jahren bevorstehenden Minenschließung ist nicht zu unterschätzen. Es ist damit zu rechnen, dass praktisch alle wirtschaftlichen Aktivitäten in der Provinz, derzeit praktisch einseitig auf den Minenbetrieb ausgerichtet, zusammenbrechen werden. Durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Mine gibt es kaum noch funktionsfähige Strukturen der Selbstversorgung, zu denen ein Großteil der vormals bei der Mine Beschäftigten Einheimischen zurückkehren könnte. Und nur die besser Ausgebildeten werden die Chance haben, auf der Suche nach Arbeit in die Städte abzuwandern. Es bleibt also die Gefahr einer sozialen Zeitbombe, die auch schon im Bericht der Weltbank als schlimmste anzunehmende Entwicklung nach Schließung der Mine beschrieben wird. Ob die von OTML initiierten landwirtschaftlichen Kleinprojekte in der Region sowie die exportorientierte Kautschukproduktion als wirtschaftliche Zukunftsperspektive für die Menschen ausreichen werden, ist mehr als fraglich.

Nach erster Durchsicht enthält der vorliegende Schließungsplan zudem ein weiteres großes Manko: Mit keinem Wort wird ein unabhängiger externer Evaluierungsmechanismus erwähnt, der sicherstellen könnte, dass die beabsichtigten Maßnahmen durch die Betreibergesellschaft auch wirklich umgesetzt werden. Dies offenbart ein großes Demokratiedefizit der jetzt vorgelegten Initiative. In der internationalen Diskussion um die Formulierung von (bislang freiwilligen) Verhaltenskodices für transnationale Bergbaukonzerne sind solche Forderungen, ebenso wie eine breite Partizipation aller Betroffenen an der Ausarbeitung einer Schließungsstrategie, längst enthalten. Ok Tedi ist für Papua-Neuguinea der Testfall, um zu beweisen, ob das Land einem sozial und ökologisch verantwortlichen Umgang mit seinen bestehenden und geplanten Bergbauprojekten verpflichtet ist. Großen Worten müssen jetzt endlich große Taten folgen. Zweifel sind allerdings angebracht.

Klaus Schilder, Bonn - Februar 2001