Das 9th Festival of Pacific Arts

05.08.2004: Bericht über das pazifische Kunst- und Kulturfestival in Palau

Vom 22. bis zum 31. Juli 2004 fand in der mikronesischen Republik Palau im Westpazifik zum neunten Mal das "Festival of Pacific Arts" statt.

Die Rock Islands von Palau

Rund 2.500 Pazifikinsulaner aus 22 von den insgesamt 27 pazifischen Nationen sowie rund 2.000 Beobachter aus der ganzen Welt waren auf die kleine Insel Koror gekommen, um an zehn Tagen Traditionen und Kulturtechniken des Pazifiks wieder aufleben zu lassen. Das Festival stand unter der Motto "Oltobed a Malt". Dieser palauanische Ausdruck wird benutzt, um den Zustand einer Pflanze im Wachstumsstadium zu beschreiben und meint den Zeitpunkt, in dem die Pflanze zu knospen beginnt. Übersetzt wurde das Thema mit "Nurture, Regenerate, Celebrate"- die pazifischen Kulturen sollten sich aneinander "nähren", ihre Traditionen erneuern und miteinander feiern.

Die Größe der Delegationen aus den Pazifikstaaten schwankte stark. Die kleinste Delegation war von der Insel Pitcairn angereist: Zwei Menschen vertraten die noch 52 auf Pitcairn lebenden Menschen. Die zweitkleinste Delegation kam aus Französisch-Polynesien. Unter Leitung der Schriftstellerin und Politikerin Chantal Spitz hatten sich zehn Männer und Frauen auf die Reise gemacht. Die größte Delegation mit knapp 300 Menschen stellte die mikronesische Nachbarinsel Guam. Auch aus Kanaky (Neukaledonien) und Papua-Neuguinea waren Delegationen mit mehr als 200 Teilnehmenden angereist. Zu den zahlreichen auswärtigen Besuchern zählte auch eine Reihe von Journalisten, die das Geschehen in Bild, Text und Ton verfolgten.

Die Hauptstadt der Republik Palau, Koror mit seinen 13.000 (von insgesamt 18.500 Einwohnern), verwandelte sich für die Festivaltage in eine Großstadt. Hunderte von Autos verstopften die einzige Straße durch den Ort, die Hotels und Unterkünfte waren ausgebucht. Viele Gäste waren privat in Gastfamilien untergebracht. Alle Restaurants kochten spezielle günstige "Festival Menus", Souvenirshops entlang der Straße boten völlig überteuerte Waren an und die 150 Taxifahrer der einzigen Insel-Taxifirma machten das Geschäft ihres Lebens.

Die pazifischen Delegationen waren in Schulen, Turnhallen und Community Centres untergebracht, mit Schulbussen wurden sie täglich zum Festivalgelände gebracht. Die Schulkinder hatten natürlich schulfrei, ebenso die Regierungsbeamten. Jeder, der es sich leisten konnte, hatte Urlaub genommen. Nur die 200 Polizisten in Diensten der Regierung waren Tag und Nacht im Einsatz, um den Verkehr zu regeln und für Sicherheit zu sorgen. Sie wurden verstärkt durch ein Team von freiwilligen Security Guards. Insgesamt hatten sich 2.000 (überwiegend junge) Ehrenamtliche zum Helfen gemeldet. Es gab freiwillige medizinische Helfer, ehrenamtliche Fahrer, die Gäste zu den einzelnen Veranstaltungsorten fuhren und ehrenamtliche Ansprechpartner für die kleinen Sorgen und Nöte der Gäste.

Das Gesundheitsministerium informierte an zahlreichen Info-Ständen über die Gefahren von Übergewicht und Diabetes, was angesichts der "starken" Delegationen aus Polynesien angemessen erschien. Zudem gab es Aufklärungskampagnen über AIDS/HIV und Dengue-Fieber unter dem Motto "Spread cultures, not diseases". Helfer mit Erste-Hilfe-Ausbildung patrouillierten über das Festivalgelände und fragten europäische Besucher beständig, ob man Mückenschutz aufgetragen habe und ob man heute schon genug getrunken habe. Eine sinnvolle Frage, denn bei den 95 Prozent Luftfeuchtigkeit und 30 Grad Außentemperatur floss der Schweiß in Strömen.

Die logistische Herausforderung, 4.500 Besucher zu verpflegen, gelang den "Essenserfahrenen" Palauanern mit Bravour. Auf dem Festivalgelände boten einheimische Frauen aus den 16 Bundesstaaten der palauanischen Republik fertig gepackte Plastiktabletts mit Obst, Hühnchen, Taro und Fisch für 3 bis 5 US Dollar an. Überall konnte man frische Kokosnussmilch für einen US Dollar erwerben, nur der Konsum von Coca Cola und Wasser überstieg an manchen Tagen das vorhandene Kontingent. Wer clever war, begab sich jedoch zur Mittagszeit zum Bürgerzentrum, vor dem täglich Köche und Köchinnen aus den Pazifikstaaten landestypisches Essen zubereiteten und Kostproben gratis verteilten. In den zehn Tagen konnte man sich derart einmal quer durch den Pazifik essen und so exotische Genüsse wie in Öl frittierte Bananenschalen (!) probieren!

Symposium in der Koror State Assembly

Eher gediegen ging es in den wissenschaftlichen Symposien zu, die vormittags zwischen 8:30 und 12:00 Uhr im Regierungsgebäude, der State Assembly, stattfanden. Überwiegend japanische Wissenschaftler waren als Referenten geladen, zu so unterschiedlichen Themen wie "Intellectual Property Rights" oder "Applied Arts and Crafts" zu referieren. Den Kurzreferaten schloß sich meist eine lebhafte Diskussion im Plenum an, das mit Vertretern aller Pazifikstaaten besetzt war und das uns Auswärtigen einen guten Überblick über den derzeitigen Stand der Diskussionen in den pazifischen Ländern verschaffte. Professionelle Übersetzungen ins Englische und Französische sorgten dafür, dass jeder mitreden konnte.

Die Delegation aus Yap

Lebhafter ging es auf den beiden Bühnen zu, die jeweils auf den Sportplätzen der Stadt aufgebaut worden waren. Von morgens 9 Uhr bis abends 23 Uhr wurden stündlich Tanz- und Gesangsvorführungen geboten, deren hohe Qualität die Besucher immer wieder zu begeistertem Applaus animierte. Verständlicherweise hatten die Länder nur ihre besten Tänzer und Sänger nach Palau geschickt, um einen guten Eindruck zu hinterlassen und mit ihren Traditionen zu glänzen. Allein in Palau hat der Auswahlprozess der Tänzerinnen und Tänzer zwei Jahre gedauert, da pro Staat nur je zwei TänzerInnen für die Gruppe zugelassen wurden.

Hawai'i hatte seinen ältesten und erfahrensten Hulameister geschickt, Papua-Neuguinea wartete mit wilden Chimbu-Kriegern auf, die ihre Schilde schwangen und bedrohlich kreischten, die Cook-Inseln machten ihrem Image als "Insel der schnellen Hüften" bei den Tänzen alle Ehre, die langhaarigen Männer aus Rapa-Nui begeisterten das weibliche Publikum mit viel Sex-Appeal und nackter Haut, und auch die Norfolk-Insulaner, Abkömmlinge der Bounty-Meuterer und ihrer tahitianischen Frauen, konnten in ihren "Christian Fletcher Erinnerungskleidern" für Begeisterungsstürme sorgen.

Modenschau der Norfolk Islands

Wem vom vielen Zugucken müde geworden war, der konnte sich auf dem "Marktplatz" verlustieren. Dort hatte jedes Land eine Strohhütte als Verkaufsstand eingerichtet. Es konnte Handwerkskunst (und Touristenkitsch) erworben werden, man konnte mit den einzelnen Delegationsteilnehmern bei einem Glas Zitronenmelissentee (aus Kosrae) ins Gespräch kommen oder Beobachter bei einer traditionellen Kava-Zeremonie aus Pohnpei sein.

Fijis Stand auf dem Marktplatz

Richtig interessant war es dann im "Pavilion", in dem täglich Vorführungen traditioneller Handwerkstechniken staatfanden. Da webte ein Fischer aus Guam ein Fischernetz und flocht jemand einen Sonnenhut, da zeigte ein Aborigine das Dot-Painting, die Palauaner schnitzten ihre "Story-Boards", Fijianer flochten Taschen, die Cook Islander zeigten die Kunst des Lei-Blütenkranzflechtens und der Meistertätowierer aus Amerikanisch-Samoa schlug in schnellem und gleichmäßigen Rhythmus die geschwärzten Tätowierinstrumente in die Haut. Allein das Geräusch, wie sich die Stahlwerkzeuge in das Fleisch bohrten, vergisst man so schnell nicht. Das Schöne: Bei allen Vorführungen durfte das Publikum mitmachen und alles selber ausprobieren. Vor allem Besucher aus Japan liebten es, mit selbst gebastelten Federkronen aus dem Hochland von Papua-Neuguinea über das Gelände zu wandern und dabei mit Fächern aus Fiji zu wedeln.

Zwei Höhepunkte des Festivals seien besonders erwähnt: Extra für die Besucher führten die Palauaner erstmals öffentlich eine Zeremonie zur Geburt des ersten Kindes einer jungen Frau auf. Diese zehntägige Zeremonie, deren letzten Tag man mit einer "echten" Erstgebärenden vorstellte, gehört zu den zentralen Riten der palauanischen Kultur und bleibt auswärtigen Besuchern normalerweise verborgen. Das Fest für die junge Mutter endete mit einem grandiosen Festmahl für alle Gäste, wie überhaupt das gemeinsame Essen immer wieder zu einem Höhepunkt des Tages mutierte.

Ein weiteres Highlight war der Workshop zum traditionellen Kanubau unterhalb der Japan-Belau-Friendship- Brücke, die die Staaten Badeldaob und Koror verbindet. Am letzten Festivaltag wurden die Auslegerkanus aus Cook, Kosrae, Yap, den Marshall-Inseln und Guam unter Gesängen, Gebeten und Tänzen zu Wasser gelassen und dabei von den Kanu-Baumeistern gesegnet. Ein erhebender Anblick für diejenigen, die um die Bedeutung der Wiederbelebung von Navigationstechniken und tradionellem Bootsbau im Pazifik wissen und die schon Tags zuvor das große Rennen der Kriegskanus über die 1.000 m Distanz und den klaren Sieg der Cook-Islands verfolgt hatten.

Das Team der Cook-Inseln (in rot)

Nach zehn vollen Tagen mit Modenschauen, Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, Lesungen von "Story Tellern", Performances, Theaterstücken in nahezu allen pazifischen Sprachen, Schnitz-, Theater und Literaturworkshops und exzessiven nächtlichen Tanzpartys zu "moderner" pazifischer Musik im "Jam House" hieß es am letzten Tag nochmals "Alii" (Willkommen) - in vier Jahren zum 10. Festival of Pacific Arts in Pago-Pago (Amerikanisch-Samoa).

Julia Ratzmann nahm als Gast am Festival teil und konnte sich ob des vielfältigen Angebotes nur schwer entscheiden, wohin zuerst. Pflicht war allerdings der getanzte Tagesabschluss im Jam Houz.

Ein ausführlicher Bericht erscheint in Kürze als Dossier!