Von den Fiji - Inseln im Pazifik über den Rhein nach Bonn
05.06.2004: Eine fröhliche "Strandnahme" für erneuerbare Energien, Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung
Sie kamen mit dem Flugzeug und nicht per Boot und noch heißt es nicht "Land unter" in ihrer Heimat. Gerne waren Buraita Karaiti, Generalsekretär des Kirchenrates von Kiribati, und Fei Tevi, Vertreter des Weltkirchenrates im Pazifik aus Suva, von ihren Inseln im Pazifik der Einladung des Evangelischen Entwicklungsdienstes(EED)und der Evangelischen Akademie Bad Boll zur "fröhlichen Strandnahme" am Rheinufer in Bonn gefolgt. Die Veranstalter (u.a. das Pazifik-Netzwerk und die Pazifik-Informationsstelle) hatten die gleichzeitig in Bonn stattfindende Weltkonferenz Renewables 2004 genutzt, um auf die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels speziell auf die Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern am Beispiel der so genannten kleinen Inselstaaten hingewiesen. Drei Lastwagenladungen Sand, Sonnenschirme und Liegestühle vor dem riesigen Foto einer Schilfhütte am Ufer des pazifischen Ozeans sowie fingerfood und Kokosdrinks sollten den Besuchern die Verletzlichkeit eines wunderschönen Teils der Erde nahe bringen. Absicht der Aktion war es, auf die besondere Bedrohung der Menschen im Südpazifik und insgesamt in der Dritten Welt hinweisen und die eigenen Kirchen aufzufordern, in Sachen Schöpfungsbewahrung ernst zu machen, ihre Entwicklungspolitik stärker der Klimafrage zuzuwenden und selbst mit gutem Beispiel voranzugehen.
"Was Ihr hier tut, beeinflusst unsere Situation im Pazifik. Deshalb ist es wichtig", - so Fei Tevi - "die Lösung des Klimaproblems nicht nur in der Anpassung an steigende Meeresspiegel und zunehmende Wetterextreme oder in der Investition in erneuerbare Energieträger zu suchen, sondern viel wichtiger sei es besonders in den Ländern des Nordens, den eigenen Le-bensstil zu ändern und - voneinander - zu lernen, wie wir gemeinsam auf dem Planeten Erde in Gerechtigkeit und Frieden und im Einklang mit der Natur leben können."
Jobst Kraus (links), Bärbel Höhn, Fei Tevi, David Hallman
Die Menschen dieser Region kämpfen für die Unversehrtheit der Schöpfung, die Erhaltung des Reichtums von Natur und Kultur und fordern die Staaten und Kirchen der Welt auf, dem Bund, den Gott mit Noah geschlossen hat zu entsprechen und in Liebe zur Schöpfung den Ausstoß von Klima schädigenden Gasen aus der Verbrennung fossiler Energie drastisch zu reduzieren und mit Energie sparen und dem Umstieg auf erneuerbare Energien zu Klimaschutz und Schöpfungsbewahrung beizutragen. "Otin taai", der Aufgang der Sonne, das Hoff-nungszeichen der pazifischen Kirchen, könnte - so David Hallman, Sprecher der Klimaarbeitsgruppe des Weltkirchenrates - auch zum Hoffnungszeichen von (Nicht) Regierungs-organisationen, Kirchen und Christen weltweit werden, sich von der Nutzung fossiler (und atomarer) Energie zu verabschieden, energisch Energie zu sparen, auf die Sonne zu setzen und im eigenen Lebensstil nachhaltig zu werden.
Bärbel Höhn, Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, unterstrich wie wichtig es auch friedens- und arbeitsmarktpolitisch sei, sich langfristig von Öl, Kohle und Uran zu verabschieden und eine erneuerbare Energiezukunft einzuläuten. Obwohl regenerativ erst 8 % des bundesdeutschen Stroms erzeugt werden, habe diese Energiequelle 120.000 Arbeitsplätze geschaffen, während die Atomindustrie mit 28 % der Stromproduktion nur 40.000 Beschäf-tigte habe. Außerdem sei der Wechsel von einer eher zentralen und politisch kontrollierten Energiewirtschaft hin zu einer dezentralen und unabhängigen Energieerzeugung eher Konflikt reduzierend.
Perspektiven
Das Projekt "Energisch Energie Sparen - Perspektiven der CO2 Reduktion im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland" hat vor fast zehn Jahren den Energieverbrauch in den Bereichen Raumwärme und Strom - also ohne den motorisierten Verkehr - über 13 Milliarden Kilowattstunden geschätzt. Mit diesem Energieverbrauch sind Kosten von etwa 900 Millionen Euro und klimarelevante Kohlendioxidemissionen in Höhe von fast fünf Millionen Tonnen CO2 verbunden. Das technisch machbare und zu derzeitigen Preisen wirtschaftliche Einsparpotential liegt bei ca. 35 %. Es wäre im Sinne von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ein notwendiges und zugleich ehrgeiziges Ziel über Energiesparen und den Umstieg auf regenerative Energieträger sich zur "Null-Emissions-Kirche" zu entwickeln. Neben Energiesparen könnte Kirche genauso viel Energie, wie sie verbraucht - das sind im Jahr in diakonischen und landeskirchlichen Einrichtungen im Bereich der EKD über 2 Milliarden Kilowattstunden - zusätzlich durch neue Anlagen mit erneuerbaren Energieträgern erzeugen, so dass dabei kein klimaschädliches CO2 entsteht. Damit gäbe Kirche das, was sie an endli-chen Ressourcen verbraucht, auf regenerative Art wieder an den weltweiten Strompool zurück. Energiesparen wird im Bereich der Kirche noch (zu) klein geschrieben und auch die Nutzung regenerativer Energie, in Form von Holzpellets, Solarthermie, PV oder Biogas, ist kaum entdeckt. Das Potential ist da: Etwa 28.000 Dächer sind für die solare Warmwassererzeugung und 36.000 zur Solarstromgewinnung geeignet. In vielen größeren Einrichtungen - besonders in über 300 kirchlichen Krankenhäusern - könnten Blockheizkraftwerke Strom und Wärme gleichzeitig erzeugen und so - wie das Beispiel der Ev. Akademie Bad Boll mit 500 Tonnen CO2 Einsparung zeigt - den "Himmel" kräftig entlasten. Kirche, mit 88.000 Gebäuden einer der größten Liegenschaftsbesitzer, könnte mit einem Aufbruch in sonnige Zeiten, dem Klimaschutz und der Beschäftigungssituation einen extrem wertvollen Dienst erweisen. Konsequentes Einsparen und innovative Finanzierungskonzepte könnten kirchlichen Einrichtungen - besonders in finanziell schwierigen Zeiten über die Liquiditätshürde helfen. Nicht vergessen werden darf der allzu oft ausgeklammerte Bereich motorisierter Mobilität - angefangen von pfarramtlicher PKW - Nutzung bis hin zu dienstlichen Flügen. Hier eine neue nachhaltige Mobilitätskultur zu entwickeln hätte für die gesamte Gesellschaft Signalcharakter. Vielleicht kann durch eine Energie- und Lebensstilwende dann doch noch verhindert werden, dass die Menschen im Südpazifik zu Umweltflüchtlingen werden und sich eine neue Heimat suchen müssen. Die Vielzahl von Gesprächen am Strand von Bonn zwischen Liegestühlen, Ausstellung des Pazifik-Netzwerkes, Solar-Radio und solarer homestation, die die Musikanlage mit Strom versorgte, gaben zur Hoffnung Anlass, dass die Kirchen die Klimaproblematik zu einer zentralen Frage ihrer Arbeit machen werden. Wie in vielen Bereichen so gilt auch hier: wahrnehmen statt verdrängen, handeln statt (nur) reden. Neue Nord-Süd-Kooperationen und praktische Schritte der nötigen Energiewende warten darauf eingeläutet zu werden.
Jobst Kraus
Bad Boll, August 2004
jobst.kraus@ev-akademie-boll.de