"Träume umsetzen"

11.12.2012: Die Autorin Courtney Sina Meredith über ihre Arbeit und die Pacific-Islanders in Neuseeland

„Träume umsetzen“

Die Autorin Courtney Sina Meredith über ihre Arbeit und die Pacific-Islanders in Neuseeland

Text und Interview: Martin Feldmann

Courtney Sina Meredith gehört zu den jungen Talenten der neuseeländischen Literaturszene. Die 26-Jährige, schon mehrfach ausgezeichnet, entstammt einer Familie mit Wurzeln in Irland, Samoa und Mangaia, der südlichsten Insel der Cooks. Die Neuseeländerin entwickelt als Referentin des Auckland Councils Programme für junge Künstlerinnen und Künstler sowie für Communities. Unter anderem stellte sie sich 2011 beim Internationalen Literaturfestival Berlin vor, wohnte im Autorenzimmer „LiteraturRaum“ des Charlottenburger Künstlerhotels Bleibtreu und schrieb für das gleichnamige Projekt. Auf der Frankfurter Buchmesse konnte Courtney mehrfach zeigen, was sie kann.

Martin Feldmann (MF): Courtney, Sie haben bei der Frankfurter Buchmesse Ihren ersten Gedichtband „Brown Girls in Bright Red Lipstick“ präsentiert. Wie war das Feedback?

Courtney Sina Meredith (CSM): Dem Publikum gefiel meine Arbeit, so mein Eindruck. Es war wirklich was Besonderes, dort zu sein, und ich fühlte mich sehr privilegiert.

MF: Ihre Vorbilder?

CSM: Meine Mutter und andere samoanische Frauen – eine wichtige Linie meiner Vorfahren.

MF: Was inspiriert Sie?

CSM: Manchmal bekomme ich Anregungen, wenn sich Menschen unterhalten. Oder ich höre ganze Gedichte, wenn ich durch die Stadt gehe. Dann versuche ich schnell Stift und Papier aufzutreiben, um alles zu notieren, bevor ich es vergesse.

MF: Sie sind in der pazifischen Kultur verwurzelt. Wie sehen Sie die Entwicklung der Pacific-Islanders-Communities in Neuseeland?

CSM: Ich bin verwurzelt in einer Kultur, die sich im Moment stark wandelt. Pacific-Communities können sich nicht isoliert wie in einem „Silo“ entwickeln. Das wäre so, wie die Hand eines Menschen nur auf ihre Funktionen zu begrenzen, dabei aber nicht auf den Arm, die Schulter, die Brust und so weiter zu achten. Mein Land entwickelt sich langsam in Richtung einer multi-kulturellen Gesellschaft – mit Freiheit, gegenseitiger Achtsamkeit sowie einer Vielfalt von Stimmen und Meinungen, die gehört und respektiert werden. Das trifft auch auf uns, die Leute aus dem Pazifik, zu – speziell die Jugend. Es gibt wahre Werte jenseits von Politik und Wirtschaft und Tagestrends. Wir haben eine Fülle von Fähigkeiten, uns global einzubringen – unsere Loyalität, Beharrlichkeit und Arbeitsmoral sind einige Beispiele von Eigenschaften, die mir spontan einfallen.

MF: Gibt es Spannungen zwischen Tradition und städtischer Kultur in Neuseeland?

CSM: Ich halte nichts davon, alles schwarz-weiß zu sehen, und es gibt einen interessanten Schnittpunkt. Wenn überhaupt, Spannungen sind mehr eine Sache der Kommunikation. Nach niederschmetternden Statistiken – wie Arbeitslosigkeit, Suizide unter Teenagern, Fettleibigkeit und so weiter – müssen wir in den Pacific-Communities neue Kräfte entwickeln. So – gepaart mit traditionellen Werten von harter Arbeit, Gemeinsamkeit und Innovation – können wir es schaffen, die Lebensumstände zu revolutionieren und unsere Leute weltweit nach vorn zu bringen.

MF: Worum geht es in Ihrem bereits prämierten Theaterstück „Rushing Dolls“?

CSM: Mein Stück versucht, eine neue Generation von Pacific-Island- und Maori-Frauen darzustellen – intensiv damit beschäftigt, ihre Träume umzusetzen. Was die Zukunft angeht, bin ich sehr enthusiastisch. Ich bin überzeugt, dass das Stück einen Anstoß für morgen gibt.

MF: Das dazugehörende Buch soll „Urbanesia“ heißen. Wie kommen Sie auf den Namen?

CSM: Das Wort „Urbanesia“ kam mir in den Sinn, als ich das Stück schrieb. Es steht für polynesische Kultur in den Städten. Sehr glücklich war ich, diesen Begriff in einem BBC-Interview vergangenes Jahr in Berlin erörtern zu können.

MF: Zusammen mit dem Autor und Musiker Ole Maiava traten Sie in Frankfurt mit der Tatau Pacific Dance Group auf, die samoanische Tänze mit Hip-Hop-Musik zelebrierte. Ole und Sie lasen Gedichte dazu – stakkatoartig. Ein polynesischer Rap?

CSM: Dies war Lyrik vom Feinsten. So sehe ich unseren Auftritt nicht nur einfach als Begegnung mit Hip-Hop. Die Musikstücke waren mehr eine Klangkulisse (ein Anknüpfungspunkt) als der Ausdruck eines Stils. Es war eine Ehre, mit Tatau und Ole zu arbeiten. Wir stellten hier eine besondere Performance auf die Beine.

MF: Wie beeinflusst die afroamerikanische Kultur die Musik der Pacific Islanders und der Maori?

CSM: Es gibt eine unbestreitbare Vorliebe der Pacific-Islanders und der Maori für die Musik der Schwarzen in Amerika. Ich glaube, die Anziehungskraft ist gegenseitig.

Infos:

• Mehr über Courtney Sina Meredith auf ihrer Website: courtneymeredith.com

• Martin Feldmann ist Journalist und Pazifik-Netzwerkmitglied. Zahlreiche Reisen führten ihn als „Independent Traveller“ seit den frühen 1990er Jahren nach Ozeanien. Für die Frankfurter Rundschau schrieb er eine Reihe von Reportagen aus der Südsee und dem pazifischen Raum. Für das Netzwerk war Martin Feldmann im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse unterwegs und besuchte angebotene Rahmenveranstaltungen. Sein Hauptartikel zum Gastland Neuseeland auf der diesjährigen Buchmesse findet sich im aktuellen Dezember-Rundbrief (Seite 17), außerdem ein Beitrag zu Francis Pesaminos Portraits „Face to Face“ im Frankfurter Weltkulturen Museum (Seite 22). Weitere Artikel Feldmanns werden in der nächsten Ausgabe des Rundbriefes im März veröffentlicht.