"Kein Bravo für Bikini"
20.07.2006: Atomtestausstellung auf Wanderschaft
Ausstellung „Kein Bravo für Bikini“ auf Wanderschaft
Anlässlich des 60. Jahrestages des ersten Atombombentests im Pazifik am 1. Juli 1946 wurde die Ausstellung „Kein Bravo für Bikini“ des Pazifik-Netzwerks e.V. und der Pazifik-Informationsstelle im Melanchthon-Gymnasium Nürnberg eröffnet. Die Ausstellung zeigt auf insgesamt neun Tafeln sowohl die Geschichte der Atomtests im Pazifik als auch den Einsatz nuklearer Technologien in der heutigen Zeit.
Die Pazifik-Region blickt auf 50 Jahre Atomtestgeschichte zurück. Nachdem die US-amerikanische Regierung seit 1946 auf den Marshall-Inseln testete, wurde in Paris am 2. Juli 1966 der Befehl für den ersten Test in Französisch-Polynesien (Moruora) erteilt. Die Franzosen beendeten ihre Tests erst im Januar 1996, nachdem weltweit eine Protestwelle einsetzte und ein Boykott französischer Waren die Wirtschaft des Landes beeinträchtigte.
Insgesamt zündeten die Großmächte (inklusive Großbritannien) über 300 Atombomben im Pazifik. Allein auf den Marshall-Inseln wurde dabei eine Zerstörungskraft von 7.000 Hiroshima-Bomben erreicht. Weder Frankreich noch die USA nahmen Rücksicht auf die Inseln und ihre Bewohner. Viele der Menschen leiden heute an typischen Erkrankungen wie Schilddrüsenkrebs und Leukämie. Viele sind bereits an ihren Krankheiten gestorben. Die USA richteten zwar einen Fonds für die Beseitigung der Schäden der Tests ein, doch nur ein verschwindend geringer Teil wurde bis heute ausbezahlt. Frankreich hält nach wie vor die Krankenakten der Arbeiter, Fremdenlegionäre und Soldaten auf den Testgeländen sowie der Bewohner unter militärischem Verschluss. So kann kein Zusammenhang der Krankheiten mit den Tests nachgewiesen werden. Lediglich einige wenige Urteile wurden bisher gefällt. Diese betrafen aber in erster Linie hochrangige französische Soldaten, die sich Zugang zu ihren Krankenakten verschaffen konnten.
Die Ausstellung „Kein Bravo für Bikini“ erzählt vom rücksichtslosen Vorgehen der Atommächte in der Zeit des Kalten Krieges und danach. Laut Expertenangaben sei die Gefahr eines atomaren Kriegs noch nie so hoch gewesen wie heute. Daher beschränkt sich die Ausstellung nicht allein auf den Pazifik, sondern zeigt, dass in der heutigen Zeit auch in Deutschland das Thema Atomwaffen an vielen Stellen präsent ist.
Die Tafeln
Eine Eingangstafel
Die Eingangstafel
So erzählt die Tafel 1954
Tafel fuer 1954
Zwar wurden die Tests 1996 eingestellt, aber wie auf der Tafel 2006 zu sehen ist, werden auch heute noch in Labors so genannte „subkritische Tests“ durchgeführt, die für die Entwicklung neuer Atomwaffen wie die atomaren „Bunker Buster“ oder die „Mininukes“ benötigt werden. Auf der Tafel wird des Weiteren über Themen wie Atomwaffen in Deutschland, Rüstungskontrolle und den Einsatz von Uranmunition aufgeklärt.
Die Ausstellung ist in erster Linie für pädagogische Einrichtungen konzipiert worden.
Schueler im Melanchthon bei der Eroeffnung
Duck and Cover
Bis auf „Duck and Cover“ (1 m x 1 m) sind die bunten 1,80 x 1 m Tafeln dem Design des jeweiligen Jahrzehnts angepasst um den Mainstream dieser Zeit zu veranschaulichen. Hinzu kommt der historische Kontext in Form von Schlagzeilen, die im Depeschenstil wie ein Band am unteren Teil der Tafel entlanglaufen. Die Tafeln an sich sind eigentlich gar keine Tafeln sondern Stoffbahnen, in deren Saum oben und unten Aluminiumstangen zur Stabilisierung gezogen werden. So können die Komponenten der Wanderausstellung leicht verschickt werden. Die Ausstellung kann gegen einen geringfügigen Betrag (Porto und Versand) bei der Infostelle ausgeliehen werden.
Die Eröffnung
Zur Eröffnung hielten Netzwerk-Mitglied Beatrix Mettler-Frercks
Die Eröffnung
Schülerstimmen, die nach dem Einführungsvortrag von einem Radioreporter eingefangen wurden, zeigen, dass die Ausstellung einige Schüler sehr nachdenklich gemacht hat. Auch das Thema „Atomwaffen in Deutschland“ war für viele neu. Frau Kränzle bestätigte eine Woche nach Ausstellungsbeginn, dass „Kein Bravo für Bikini“ großes Interesse bei Schülern und Lehrern wecke. Die Schulleitung zeigte sich sehr erfreut über die Ausstellung in ihrem Hause und unterstrich, dass sich gerade ein humanistisches Gymnasium für die Beachtung der Menschenrechte einsetzen solle.
Besonders erfreulich war die Tatsache, dass die Medien auf die Pressemitteilung reagierten. Ein Journalist war anwesend, der sowohl einen Bericht in der Regionalzeitung „Nürnberger Nachrichten“ (online und print) veröffentlichte als auch einen zweieinhalbminütigen Radiobeitrag mit Stimmen von Schülern und Veranstaltern produzierte, der am 9. Juli auf Radio Scharivari ausgestrahlt wurde
Interview mit Katja Goebel
Somit ist die Ausstellungseröffnung ein voller Erfolg gewesen und hat unter anderem dazu beigetragen, die Arbeit des Pazifik-Netzwerks und der Pazifik-Infostelle bekannter zu machen. Ganz abgesehen davon sind Infostelle, Arbeitsgruppe und Vereinsvorstand davon überzeugt, dass die Ausstellung ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte ist und das Bewusstsein des Betrachters schärft, der sich als Teil einer atomaren Welt darüber klar wird, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholen darf. Verein und Pazifik-Infostelle wollen daher insbesondere Jugendliche auf die Thematik aufmerksam machen, denn sie sind das Potential der Zukunft. Leider kann der Geschichtsunterricht in Schulen diesen Beitrag nur sehr begrenzt leisten, da, wie Frau Kränzle bemerkte, das Thema lediglich in einem Nebensatz des Lehrplanes erwähnt werde.
Text: Katja Göbel, Pazifik-Informationsstelle Fotos: Gerlinde Grossmann, MWB
Informationen zur Ausstellung und Buchung bei der Pazifik-Informationsstelle, E-Mail info@pazifik-infostelle.org, Tel: 09874-91220