BLICKPUNKT: Die Ok Tedi- Mine in Papua-Neuguinea - Eine Umweltkatastrophe

01.04.2003: Kurzinformationen aus dem Pazifik Nr. 11

von Dr. Roland Seib, Darmstadt

"Wir haben keinen Fisch mehr, unser Wasser ist vergiftet und unsere Gärten sind unter Schlamm erstickt", erklärt Alex Maun, ein Sprecher der Minengegner.

Die Ok Tedi- Gold- und Kupfermine in der Western Province Papua-Neuguineas ist das größte Umweltproblem des Landes - die Folgen für Mensch und Umwelt sind katastrophal.

In dem entlegenen Urwaldgebiet nahe der Grenze zur indonesischen Provinz Papua trägt die internationale Minengesellschaft "Ok Tedi Mining Limited" (OTLM) seit 1984 einen 2.100 m hohen Berg Schritt für Schritt ab.

Die "Goldkappe" ist bereits abgebaut, seither läuft die Kupfererzgewinnung auf Hochtouren. Eine Tonne Gestein enthält nur wenige Gramm Erz - der restliche behandelte Abraum wird in den Ok Tedi-River gekippt oder vom Regen ins Flusssystem gewaschen: 190.000 Tonnen pro Tag! Über den Fly-River gelangt die braune Brühe schließlich in den Golf von Papua.

Ein internationales Konsortium betreibt die Mine. 52 % der Anteile hält die australische Broken Hill Proprietary (BHP), 18 % die kanadische Firma Inmet und 30 % die Regierung von Papua-Neuguinea, von denen wiederum 2,5 % auf die traditionellen Landeigner entfallen (zur aktuellen Eignerstruktur vgl. die Chronologie).

Wissenschaftler des Starnberger Instituts haben das Flusswasser untersucht. Ihr Ergebnis: Würde man bundesdeutsche Richtlinien und Höchstwerte für die Verschmutzung mit Schwermetallen und Giftstoffen anlegen, so würden diese um das Zehn- bis Hundertfache überschritten!

Für viele der 60.000 Menschen der Region, die größtenteils am Fluss leben, hat sich das Leben drastisch verändert.

Der Ok-Tedi-River - einst die Lebensader - wurde zur Bedrohung: Die Fische, früher ein fester Bestandteil der Nahrung, sind verendet. Die Gärten, die auf den fruchtbaren Böden in Ufernähe angelegt wurden, sind mit Schlammmassen bedeckt und nicht mehr brauchbar.

Die regelmäßigen Überschwemmungen brachten einst den Dünger für die Böden - heute bleiben nach jeder Flut 20 Zentimeter an schwermetallhaltigem Schlamm zurück.

Die Folge ist, dass die Menschen nun ihre Gärten in höhergelegenen Gebieten anlegen müssen, die von den Überschwemmungen nicht erreicht werden - oft mehrere Stunden Fußmarsch vom Dorf entfernt. Die Böden dort sind unfruchtbar, so muss ständig neuer Urwald gerodet werden.

Die einzige Möglichkeit, die Belastung des Flusssystems auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, wäre der Bau eines Rückhaltedammes für Abraum und Erzabfälle. Mit Hinweis auf die Kosten von umgerechnet einer halben Million Euro hat die Minengesellschaft den Bau des Dammes verweigert. Die vorhersehbaren Gewinne aus der gesamten Laufzeit der Mine liegen allerdings bei sechs Milliarden Euro.

Chronologie der Ereignisse

1984: Die Ok Tedi-Mine nimmt ihren Betrieb auf.

Juni 1984: Die Mine sorgt erstmals für Schlagzeilen: 2.700 Fässer mit hochgiftigem Natriumzyanid für die Goldgewinnung gehen beim Schiffstransport bei stürmischer See im Golf von Papua über Bord. Eine Suchaktion verläuft erfolglos.

Ab 1984: Meldungen über unkontrollierte Zyanideinleitungen in den Ok Tedi-River und damit einhergehendes Fischsterben häufen sich. Die Mine bleibt bis heute eines der brisantesten Themen des Landes und steht regelmäßig auf der Tagesordnung des Parlaments.

Mai 1991: Das Starnberger Institut veröffentlicht die Studie "Entwicklung und Umwelt" über die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der Mine.

September 1991: Anfrage zu Ok Tedi im Deutschen Bundestag. Verena Wohlleben (SPD) fordert eine Stellungnahme der Regierung zur Studie. Zu diesem Zeitpunkt halten deutsche Unternehmer noch ein fünftel derAnteile an der Mine: die Degussa (7,5 %), die Metallgesellschaft (7,5 %) und die bundeseigene Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG 5 %)

April 1992: Eine Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing wird zum Höhepunkt der bisherigen bundesdeutschen Ok Tedi- Diskussion. Während zahlreiche PNG-Politiker und betroffene Flussbewohner anreisen, verweigern sich deutsche Anteilseigner und Politiker dem öffentlichen Dialog.

April/Mai 1992: Mehrwöchige Vortragsreise von Alex Maun (einem Sprecher der betroffenen Flussbewohner) durch die Bundesrepublik. Gespräche mit Politikern und deutschen Ok Tedi- Anteilseignern.

Mai 1992: Im Hinblick auf die deutsche Ok Tedi-Beteiligung stellt Uwe Holtz (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit, eine Anfrage an die Bundesregierung. Er fordert folgendes Gesetz: Bei mit Bundesmitteln geförderten Privatinvestitionen im Ausland müssen auch deutsche Umweltrichtlinien eingehalten werden. Mit Hinweis auf die Souveränität der Entwicklungsländer' bezeichnet dies die Regierung als unmöglich.

Juni 1992: Ein Antrag der Grünen/Bündnis 90 zu Ok Tedi im Bundestag wird an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit zurückverwiesen. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, sowohl über die deutschen Anteilseigner als auch auf diplomatischen Wege, Einfluss auf die PNG-Regierung zu nehmen, um auf die Einhaltung ökologischer Richtlinien, wie auf die Achtung der Menschenrechte zu dringen.

30. Oktober 1992: Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird den Antrag behandeln und gibt seine Beschlussempfehlung für das Bundestagsplenum.

Januar 1993: Der Bundestag kritisiert aufgrund der Ergebnisse der Starnberger Studie mit großer Mehrheit die Ok Tedi-Mine und fordert die Bundesregierung auf, bei den beteiligten Firmen auf eine Anwendung

deutscher Umweltvorschriften auch in Papua-Neuguinea zu drängen.

November 1993: Die australische Umweltstiftung "Australian Conservation Foundation" kommt in einer Ok Tedi-Studie zu dem Ergebnis, dass die Mine einen unbestreitbar negativen Einfluss auf die Umwelt der Region hat.

Dezember 1993: Die zwei deutschen Firmen Degussa und Metallgesellschaft (zus. 15 %) sowie die US-amerikanische Amoco Corp. (30 %) haben ihre Anteile an der Mine verkauft. Übernommen wurden sie vom Staat Papua-Neuguinea (nun 30 %), der australischen Broken Hill Proprietary (BHP, 50 %, bisher 30 %) und der kanadischen Metall Mining (15 %). Die staatseigene Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) hält trotz der Kritik des Bundestages weiterhin 5 %.

Juni 1994: Anwohner des Ok Tedi Flusses reichen im australischen Melbourne eine 4,8 Milliarden DM Umweltklage gegen den Hauptaktionär der Mine, BHP, ein.

Juni 1996: Ein außergerichtlicher Vergleich zwischen Landbesitzern und BHP sieht die Rücknahme der Klage vor. Im Gegenzug werden Entschädigungsleistungen und Umweltschutzinvestitionen in Höhe von mehr als 200 Millionen DM über die Restlaufzeit der Mine zugesagt.

Juni 1999: BHP kündigt überraschend an, die Ok Tedi Mine vorzeitig schließen zu wollen. Die Umweltbelastungen seien höher als angenommen, eingeleitete Maßnahmen wie das Ausbaggern der Flusssedimente würden die Probleme nicht beseitigen.

November 2000: Anwohner des Ok Tedi Flusses vertreten durch Rex Dagi und den South Fly Abgeordneten Gabia Gagarimabu reichen erneut im australischen Melbourne eine Umweltklage gegen BHP und den Betreiber Ok Tedi Mining (OTML) ein. Gefordert werden Entschädigungszahlungen in Höhe von 4,5 Millionen DM (knapp 2 Mio. US$).

November 2000: Repräsentanten der Norddeutschen Affinerie (NA) besuchen zusammen mit Mitgliedern von "Rettet die Elbe" und dem Pazifik-Netzwerk die Ok Tedi Mine, um sich über die Umweltauswirkungen zu informieren. Nach Angaben der Hamburger NA werden von dieser jährlich über 80.000 Tonnen Kupfer über langfristige Verträge abgenommen. Dies entspricht mehr als 15 % der jährlichen Produktion der Mine.

Dezember 2000: Die Regierung hat den durch OTML erstellten Rehabilitations- und Schließungsplan für die Mine akzeptiert. In Konsultationen mit Anwohnern und Betroffenen sollen nun für die Restlaufzeit der Mine von 10 Jahren detaillierte Absprachen getroffen werden.

März 2001: Die australische BHP hat sich in einer Megafusion mit der britischen Billiton Gruppe zu dem (nach dem US-Konzern Alcoa) weltweit zweitgrößten Bergwerkskonzern zusammengeschlossen. Der Sitz des künftigen Un 0x08 graphic ternehmens BHP Billiton, das 60.000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mehr als 40 Milliarden DM haben wird, soll weiterhin in Melbourne verbleiben.

April 2001: Die Provinzregierung der Western Provinz mit Sitz in Daru hat in den vergangenen 18 Jahren durch die Ok Tedi Mine Einnahmen von über 185 Millionen Kina erhalten, über deren Verwendung keine Belege vorliegen. (Abbildung: Die Ok Tedi-Mine aus der Luft betrachtet.)

April 2001: Verhandlungen zwischen BHP Billiton und der Regierung von PNG sehen vor, die BHP-Anteile künftig in eine Stiftung überzuleiten. Der Minenbetreiber OTML soll nun unabhängig von BHP die Produktion bis zum Jahr 2010 weiter führen. Hintergrund ist die verstärkte Kapitalmarktorientierung BHP Billitons, bei der die Ok Tedi Mine als hinsichtlich der künftigen Entwicklung unkalkulierbare Hypothek gesehen wird. Staat, Ok Tedi-Provinz und Landbesitzer hatten zuvor eine einseitige Einstellung der Produktion durch BHP trotz Umweltschädigung abgelehnt. Verwiesen wurde auf die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile des Projekts.

August 2001: BHP Billiton hat sich in Absprache mit den Mitgesellschaftern, dem Staat PNG und Inmet, von seinem Anteil von 52 % an der Ok Tedi Mine getrennt und diesen einer Stiftung übertragen. Die Investition von 148 Millionen AUS $ ist abgeschrieben worden.

September 2002: Der BHP Billiton Anteil wird von der in Singapur ansässigen Treuhändergesellschaft "PNG Sustainable Development Program Limited" (SDP) gemanagt, um, so die Begründung von BHP und der im Juli abgewählten PNG-Regierung unter Sir Mekere Morauta, eine politische Einflussnahme auszuschließen. Dem Vorstand der gemeinnützigen SDS sitzt der australische Professor Ross Garnaut vor, während das Management durch den früheren PNG-Staatssekretär Robert Igara geführt wird. Dividendenzahlungen durch OTML (2002 waren das sieben Millionen US$) gehen direkt an SDS, die entsprechend ihren Statuten eine nachhaltige Entwicklung der Western Provinz unterstützen soll.

Januar 2003: Der im Juli 2002 neugewählte Gouverneur der Provinz Western Bob Danaya droht mit der Schließung der Mine, sollte über die Verteilung der Minenanteile nicht neu verhandelt werden. Gouverneur und Landbesitzer fordern die Übertragung des bisherigen BHP-Anteils als Ausgleich für die durch die Mine verursachte Umweltzerstörung in der Provinz.

Derzeit trägt die Ok Tedi Mine 10 % zum Bruttosozialprodukt und 20 % zu den Exporteinkünften des Landes bei. Ein Großteil der mehr als 2.000 Beschäftigten sind Bürger PNGs (Ausnahme Management). 110 Millionen Kina werden jährlich als Löhne ausgezahlt.

Literaturauswahl

Böge, Volker: Ok Tedi Mine in Papua-Neuguinea vor der Schließung?, in: epd-Entwicklungspolitik Nr. 13/2000, S. 9-10.

Böge, Volker: Der kurze (Kupfer-) Draht: Neuguinea - Hamburg, in: FriedensForum Nr. 5-6/2002, S. 45-6.

Förderkreis "Rettet die Elbe" e.V., Hamburg: Der Ok Tedi Bericht. Wie Kupfer aus einem armen Land auf Neuguinea herausgeholt und die Umwelt zerstört wird, um reiche Länder und eine Kupferhütte in Hamburg noch reicher zu machen. CD-ROM März 2001.

Rosenbaum, Helen: Grundsätze für das Umweltmanagement australischer Bergbauunternehmen in Papua-Neuguinea (engl. Original) Australian Conservation Foundation, 1995, 24 Seiten.

Seib, Roland: Der Entwicklungsweg Papua-Neuguineas 1884- 1990. Weltwirtschaftliche Integration und Peripherisierung. 1992, 15 Seiten.

Seib, Roland: Papua-Neuguinea - eine aktuelle Landeskunde. 1994, 22 Seiten.

Seib, Roland: Umweltzerstörung - Ethnizität - "bad governance". Modernisierungskonflikte am Beispiel der Ok-Tedi- Mine in Papua-Neuguinea. Dezember 1998, 18 Seiten.

Seib, Roland: Vom traditionellen' Wohlstand in die `moderne' Marginalisierung? Soziale und politische Desintegration in Papua-Neuguinea. März 2000, 11 Seiten.

Seib, Roland: Die Schimäre vom pot of gold' - Zum Stand der Entwicklung der Ok Tedi Mine in Papua-Neuguinea. Februar 2001, 11 Seiten.

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