Das Wettrennen um die Schätze des Meeres wird als Klimaschutz getarnt

24.03.2021: Pressemitteilung des Ozeanien-Dialogs und weiterer Akteure

Pressemitteilung

Das Wettrennen um die Schätze des Meeres wird als Klimaschutz getarnt. Kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden die aktuellen Verhandlungen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde auf Jamaika. Diese UN-Behörde verwaltet laut Seerechtsübereinkommen die mineralischen Ressourcen in der Tiefsee als gemeinsames Erbe der Menschheit. Damit trägt sie perspektivisch die Verantwortung für den Bergbau auf der Hälfte unseres Planeten. Lange Zeit wurde von einem solchen Tiefseebergbau nur geträumt. Mittlerweile hat jedoch ein Wettlauf um diese mineralischen Ressourcen am Meeresboden begonnen. Verschiedene Staaten und multinationale Konzerne beteiligen sich nun daran und wollen möglichst günstig an die enormen Vorkommen in den Ozeanen gelangen. Der Bergbau hätte verheerende Folgen für die marinen Ökosysteme in der Tiefsee, da die Abbaugebiete zerstört werden und verloren gehen würden, bevor die Meeresforschung ihre ökologische Bedeutung und die vorhandene Artenvielfalt auch nur annähernd erfasst hat. Bei den Verhandlungen unter dem Dach der Internationalen Meeresbodenbehörde über die Regeln für den Abbau in der Tiefsee behaupten inzwischen viele der Befürworter*innen, dass sie den Tiefseebergbau beginnen wollen, um das Klima zu schützen. Ihre Erze sollen die Metalle für Windräder und E-Autos liefern und auch in Zukunft deren ausreichende Verfügbarkeit garantieren. So legitimieren sie ihre finanziellen Interessen und die Zerstörung der Ökosysteme der Tiefsee und missbrauchen zugleich die Klimabewegung für ihre Zwecke: ein Vorgehen, das mehr und mehr um sich greift und mittlerweile auch in der deutschen Debatte um den Tiefseebergbau immer größere Bedeutung erlangt. Es sind irreführende und falsche Argumente, die hierbei verwendet werden, um den Tiefseebergbau auf Kosten der Klimabewegung international und auch in Deutschland durchzusetzen. Um die offensichtlichen Widersprüche des Tiefseebergbaus zum Meeresschutz und einer fairen Entwicklungszusammenarbeit auf See zu überdecken, haben die Hauptakteure bei der Etablierung der neuen Industrie ein scheinbar eingängiges Argumentationsgebäude entworfen. Einige der Tiefseebergbau-Konsortien haben in diesem Zusammenhang Studien und Werbekampagnen in Auftrag gegeben. In Hinblick auf den Klimaschutz ist das Hauptargument, welches ins Feld geführt wird, dass eine Verknappung strategisch wichtiger mineralischer Rohstoffe in Zukunft die Produktion von alternativen Energieträgern und Technologien für den Klimaschutz gefährden wird. Der Tiefseebergbau soll die behauptete Versorgungslücke schließen können und wird so zum Garanten der Klimawende stilisiert.

Die zugrunde liegenden Bedarfsrechnungen für mineralische Erze werden jedoch wissenschaftlich durchaus in Frage gestellt und sind vielmehr Ausdruck einer düsteren Zukunftsvision als Tatsachen. Zudem mutet die Behauptung geradezu naiv an, dass das zusätzliche Angebot von Metallen aus der Tiefsee auf dem Weltmarkt nun gerade die Energiewende sichern würde und nicht in erster Linie die Rohstoffpreise im Allgemeinen stabilisiert und dadurch ein fortlaufendes industrielles Wachstum erzeugt. Im Kern dienen die Szenarien somit dazu die Erfolgsaussichten einer alternativen Rohstoffpolitik zu bestreiten, die auf Kreislaufwirtschaft, Recycling, Sparsamkeit, Langlebigkeit und nachhaltige Produktionsprozesse und Grundstoffe setzt. Eine Rohstoffwende, die den hohen metallischen Primärrohstoffbedarf von Deutschland in absoluten Zahlen senkt, halten wir in diesem Sinne für geboten. Statt auf unerschöpfliches Wachstum und die Einführung des Tiefseebergbaus zu setzen, könnte schlicht eine umfassende Reduzierung des Rohstoffkonsums angestrebt werden sowie höhere Rohstoffpreise für einen umweltfreundlichen und sozial gerechten Bergbau an Land akzeptiert werden. Stattdessen geraten die planetaren Grenzen zugunsten weniger, an diesen neuem Industriesektor beteiligter Unternehmen noch stärker unter Druck. Das, was der Klimaschutz bewahren will, wird durch den Tiefseebergbau gefährdet: so auch potenziell die Funktion der Ozeane als wichtigste Kohlenstoffspeicher des Planeten. Die Unterstützerinnen und Unterstützer dieses Aufrufs wenden sich aus vielen Gründen klar gegen eine Einführung des Tiefseebergbaus: sowohl um die Meere zu schützen als auch um eine destruktive Rohstoffpolitik auf Kosten der Länder des globalen Südens auf die Ozeane zu verhindern. Zudem gefährdet er die Menschenrechte und verschachert das gemeinsame Erbe der Menschheit, um den Traum vom unbegrenzten Wachstum für einige wenige Privilegierte am Leben zu erhalten. Die Zivilgesellschaft darf nicht unwidersprochen hinnehmen, dass der Klimaschutz zur Rechtfertigung der Zerstörung der Ozeane genutzt wird. Erforderlich ist Solidarität und ein gemeinsames Handeln der klima-, rohstoff-, entwicklungs- und umweltpolitischen Bewegung. Der Tiefseebergbau wird sich global auswirken, aber letztlich am stärksten die Menschen im globalen Süden treffen, die abhängig sind von intakten Meeresökosystemen und der Rohstoffförderung.

Zugehörige Dateien:
PM_Keine Zerstörung der Ozeane im Namen des Klimaschutzes.pdfDownload (214 kb)