Unterstützung aus dem Pazifik - für Freiheit und Menschenrechte in Westpapua –

08.12.2015: Artikel von Ibrahim Peyo aus Westpapua

Dieser Artikel beschreibt den Kampf des Papua - Volkes, der in den letzten zwei Jahren in eine neue Phase getreten ist. Durch einen Versöhnungs- und Einigungsprozess ist er organisierter und systematischer geworden. In Port Vila wurde im Dezember 2014 die Deklarasi Seralana formuliert und unterzeichnet. Damit wurde die United Liberation Movement for West Papua (ULMWP) als offizielles politisches Organ der Papua ins Leben gerufen. Diese Bewegung ist Symbol des Kampfes der Papua.

1. Der Freiheitskampf auf der Basis von Fraktionen und ethnischen Gruppen.

Der Kampf begann schon Anfang der 60-er Jahre. Er hat unzählige Menschenleben gekostet und viel Schaden angerichtet. Doch hat er auch mancherlei Erfolge gehabt, bis es zu der heutigen Bewegung kam. Es hat sich im Laufe der Jahre ein starker Nationalismus gebildet, er ist gewachsen und hat sich weiter entwickelt. Er wurde zur Seele des Widerstandes, der nicht durch Indonesien gebrochen werden konnte. Es gibt im ganzen Land Papua eine Bewegung an der Basis, vor allem unter der jungen Generation. Leider gab es auf der höheren Ebene der Papua-Führer diese Einheit noch nicht. Sie haben sich verfangen in Polarisierungen und Spaltungen, hervorgerufen durch ethnische Unterschiede. Dem Unterdrücker gab dies die Möglichkeit, den status quo aufrecht zu erhalten und über 50 Jahre seine Macht auszuüben. Die Polarisierung und Fraktionierung hat auch internationale Unterstützung verhindert.

2. Die Gründung der United Liberation Movement for West Papua (ULMWP)

Die Republik Vanuatu ist nur ein kleines Land im Südpazifik. Doch dies kleine Land hatte ein Herz für das Schicksal des Papua-Volkes und ist viele Jahre solidarisch gewesen. Es hat die große Macht Indonesiens mit seiner militaristischen und faschistischen Regierung nicht gefürchtet. Es hat eine hohe Moral und war eine Herausforderung für große Länder, die sich demokratisch nennen. Es hat immer wieder seine Stimme erhoben und die Wahrheit über das Leiden der melanesischen Geschwister in West-Papua verbreitet und ihre Tränen getrocknet. Vanuatu hat erkannt, dass es ein Problem in Papua gibt, welches um einer besseren Zukunft willen gelöst werden muss: die Überwindung der Spaltungen und die Bildung einer inneren Einheit. Vanuatu wirkte als Vermittler und Gastgeber für verschiedene Treffen zur Versöhnung der zerstrittenen Papua. So kam es am 6. Dezember 2014 zur Deklarasi Seralana. Bisher gab es drei große Blöcke, in denen sich viele Gruppen sammelten, nämlich (1) das Parlemen Nasional West Papua (PNWP), (2) Negara Republik Federasi West Papua (NRFWP) und (3) die West Papua National Coalition for Liberation (WPNCL). Diese drei Gruppen gründeten die United Liberation Movement for West Papua (ULMWP) als ihre gemeinsame Dachorganisation. Die Deklarasi Seralana wird auch akzeptiert und unterstützt von der Befreiungsarmee, die in den Wälder Papuas versteckt operiert. Auch die verschiedenen Fraktionen dieser Kämpfer haben sich vor zwei Jahren in Biak zu einer Einheit zusammengeschlossen, um professioneller operieren zu können. Die ULMWP hat eine kollektive Führungsstruktur mit fünf Personen: Octovianus Motte wurde zum Generalsekretär gewählt und Benny Wenda zum Sprecher. Außerdem kamen drei Personen als Mitglieder in das Leitungsteam: Leoni Tanggahma, Yakob Rumbiak und Rex Rumakiek. Dies ist die offizielle Vertretung des Papua-Volkes und vereinigt unter sich alle Fraktionen und Gruppen, die am Kampf beteiligt sind. Die ULMWP ist das Symbol des Befreiungskampfes der Papua und ist anzusehen wie die PLO in Palästina, die Fretelin in Timor Leste und die FLNKS in Kanaky, Neu-Kaledonien, die ihre Freiheit schon erkämpft haben. Damit wurde ein neues Kapitel im Kampf der Papua aufgeschlagen. Das Echo des Aufbruchs ist überall zu hören. Schnell wie nie zuvor wuchs die Solidarität der Bevölkerung in den melanesischen Ländern. Es bildeten sich überall Solidaritätsgruppen, in Fiji, in Papua-Neuguinea, in Neu-Kaledonien, in den Salomonen, in Samoa, Neuseeland und Australien. Später kamen Gruppen dazu in Südafrika, Nigeria, und in den USA in Kalifornien, z.B. in San Francisco. Diese Gruppen üben Druck aus auf ihre jeweiligen Regierungen.

Auf der politischen Ebene gab es Unterstützung von einzelnen wie von Parteien oder Regierungen. Ich nenne die Liberale Partei und die Opposition in Fiji, die Opposition und drei Gouverneure in Papua-Neuguinea. Anfang Februar sagte der Premierminister von PNG, Peter O`Neill, dass die Zeit gekommen sei, die Unterdrückung unserer Geschwister deutlich zu benennen. „Jeden Tag sehen wir die brutalen Bilder in den Medien, aber tun nichts. Wir haben die Pflicht, für die zu sprechen, die selbst nicht sprechen können. Wir haben die Pflicht zu sehen, was die nicht sehen können, denen man die Augen verbindet. Als Führer der Länder dieser Region müssen wir mit unseren Freunden offen reden.“ Der Premier rief auch die indonesische Regierung dazu auf, die Versprechen des früheren Präsidenten SBY einzulösen, endlich das Militär in Papua zu reduzieren. Auch Parlamentarier der Salomonen unterstützen Papua. Die Grüne Partei und drei Parlamentarier in Neuseeland erklärten, dass sie den Internationalen Parlamentariern für West Papua (IPWP) beitreten wollen. Die IPWP ist eine Vereinigung von Parlamentariern quer durch die Parteilen und Nationen, die für die Unabhängigkeit West-Papuas eintreten. Die Vereinigung wurde im Jahr 2008 in London gegründet und hat inzwischen 130 Mitglieder. Auch der Justizminister Englands trat der Vereinigung bei. Das Parlament Schottlands erklärte offiziell seine Unterstützung für die Unabhängigkeit Papuas.

3. Die Reaktion der indonesischen Regierung.

Die weltweite Resonanz auf die Deklarasi Seradala wurde in Indonesien als eine ernsthafte Bedrohung angesehen. Die Regierung reagierte nervös. Der frühere Oberbefehlshaber des Heeres sagte, die ULMWP sei sehr ernst zu nehmen. „Jetzt haben sie sich geeinigt und sind gut organisiert. Es wird leichter für sie, internationale Unterstützung und Mittel für diplomatische Aktivitäten zu erhalten.“ In Papua kehrte das Militär wieder zur klassischen Methode zurück: In der Region Paniai wurden fünf Schüler erschossen und 21 Menschen verwundet. Weitere gewaltsame Übergriffe gab es in den Landkreisen Yahukimo, Kaimana, Nabire, Paniai II, Merauke, Kamoro und in Timika, wo ein Student getötet wurde. Mindestens 13 Papua wurden in dieser Zeit getötet. Neben den Gewaltakten des Militärs reagierte die Indonesische Regierung mit Diplomatie gegen die ULMPW: Vom 26. - 28. Februar 2015 besuchte der indonesische Außenminister Retno Marsudi Papua New Guinea, die Salomonen, Fiji und Neuseeland. Indonesien stellte 20 Mill. US-$ für diese Länder zur Verfügung – zur Verbesserung staatlichen Handelns und für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der Botschafter Indonesiens erklärte dem Premierminister der Salomonen, Manasseh Sogavare, in Honiara, dass Indonesien eine Menschenrechtskommission habe, die Menschenrechtsverletzungen in Indonesien einschließlich Papua vor Gericht bringe. Er bat die Regierung der Salomonen um Unterstützung der indonesischen Politik in Papua. Doch Manasseh Sogavare antwortete, die Salomonen seien selbst Mitglied im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Das Problem der Menschenrechtsverletzungen in Papua werde dort verhandelt und müsse nach internationalen Maßstäben untersucht werden.

Am 30. März 2015 wiesen der indonesische Verteidigungsminister Ryamizard Ryacudu und der Außenminister Retno Marsudi die Forderung des Premierministers von PNG, O´Neill zurück. Sie forderten die Regierung Papua New Guineas (PNG) auf, sich nicht in innere Angelegenheiten Indonesiens einzumischen. Außerdem sandten sie die beiden (pro-indonesisch eingestellten) Papuas Frans Albert Yoku und Nicolas Meset nach PNG, um mit dem Premierminister Peter O'Neill zu sprechen. Die Begegnung fand geheim in einem Hotel in Port Moresby statt. Das geheime Treffen wurde bekannt gemacht durch den Koordinator der Solidarität PNG Union for Free West Papua. Nach diesem Treffen änderte die Regierung von PNG ihre Haltung zur Besetzung Papuas durch Indonesien. Als Benny Wenda wenig später in Port Moresby einreisen wollte, wurde ihm die Einreise verwehrt. Im Mai 2015 besuchte Präsident Jokowi Port Moresby, vorher besuchte er Papua und verkündete die Freilassung von fünf politischen Gefangenen und die Öffnung Papuas für ausländische Journalisten. Doch einige Minister, hohe Militärs und Parlamentarier widersprachen dem Präsidenten. Jokowi führte also eine Doppelstrategie gegen die Unterstützung Papuas durch die Pazifischen Staaten und die internationale Berichterstattung. Er hatte damit sein Ziel erreicht. Diese Doppelstrategie (Diplomatie und Gewalt) überzeugte die Regierungen von Papua New Guinea und Fiji, die schon immer pro-indonesisch eingestellt waren. Außer dieser Diplomatie nach außen und der Gewalt nach innen drohte die indonesischen Regierung auch der Regierung von PNG: Vier Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi verletzten den Luftraum dieses Landes. Auch zwei Helikopter der Streitkräfte drangen illegal ein und landeten in Bewani in Papua New Guinea.


4. Die Anträge der ULMWP und Indonesiens auf Mitgliedschaft in der Melanesian Spearhead Group (MSG)

Vanuatu verhielt sich völlig anders als PNG. Der Premierminister Joe Natuman unterstützte die Papua und war führend bei der Bildung einer gemeinsamen Führerschaft, die zur Gründung der ULMWP führte. Leider wurde Vanuatu genau in dieser Zeit von der Tornado-Katastrophe getroffen und erlitt schwere Verluste an Sachschäden und Menschenleben. Diese Naturkatastrophe wurde von Indonesien genutzt, indem Rettungsteams entsandt und finanzielle Hilfe (ca. 2 Mill. Euro) gegeben wurden. Als überall in Papua Hilfsgelder für Vanuatu gesammelt wurden, – vor allem Studenten waren sehr aktiv - ging das Militär gewaltsam dagegen vor. Dabei wurde Obangma Giban im Landkreis Yahukimo getötet und 487 Aktivisten in ganz Papua festgenommen. Die Katastrophenhilfe der indonesischen Regierung wurde dem Außenminister Vanuatus, Sato Kilman, übergeben. Sato Kilman gehört aber schon lange zu denen, die die Besetzung Papuas durch Indonesien gut heißen.

Indonesien versuchte mit mancherlei Strategien, den Premier Vanuatus Joe Natuman zu schwächen. Schließlich wurde Sato Kilman nach Jakarta eingeladen, um an der Asia-Afrika-Konferenz in Bandung teilzunehmen. Hier reifte der Plan, den Premier Joe Natuman zu stürzen. Die beiden Außenminister Sato Kilman und Retno Marsudi kündigten an, dass Vanuatu eine eigene Botschaft in Jakarta eröffnen und dass die beiden Länder wirtschaftlich zusammen arbeiten würden. Der Premier von Vanuatu lehnte diesen Plan ab, die Regierung habe keine solchen Pläne. Sato Kilman jedoch kam von Jakarta zurück, einigte sich mit der Opposition und stürzte so am 11. Juni 2015 den Premier Joe Natuman. Sato Kilman übernahm die Regierung. Man vermutet, dass Sato Kilman die Abgeordneten des Parlaments mit Geld aus Jakarta dafür bezahlt hat. Später kamen sie deshalb vor Gericht.

Danach wandte Indonesien eine neue Strategie an. Man gründete die Gruppe von fünf melanesisch-indonesischen Provinzen (Malindo). Das ist eine Mumie, gebildet um politischer Interessen willen, auf der Basis einer einheitlichen Kultur. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigen, dass die drei Regionen: die Provinzen Nusa Tenggara Timur, Maluku und Maluku Utara nicht zu Melanesien gehören. Rassisch sind sie völlig unterschiedlich, eine Mischbevölkerung aus Polynesiern, Malaien und Melanesiern. Wissenschaftlich kann man sie nicht Melanesien zuordnen. Diese drei Provinzen stellten einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Melanesian Spearhead Group (MSG), wobei sie die beiden Papua-Provinzen einschlossen. Der Antrag wurde von PNG und Fiji unterstützt. Das war eine Strategie Indonesiens mit dem Ziel, den Antrag der ULMWP auszuschalten. Indonesien war sich inzwischen sicher, dass Vanuatus Haltung geschwächt war. Blieb nur noch Neu-Kaledonien. Die Salomonen hatten sich noch nicht festgelegt. Indonesien war sich sicher, dass der Antrag der ULMWP abgelehnt werden würde. Es hoffte, dass die beiden Gouverneure von Papua- und Westpapua - Lukas Enembe und Abraham Ataruri – auf der Vollversammlung der MSG in Honiara die „Fünf-Provinzen-Gruppe“ (Malindo) vertreten und damit den Antrag der ULMWP zu Fall bringen würden. Doch die beiden Gouverneure erschienen gar nicht. Die Vollversammlung der MSG fand vom 18. bis 26 Juni in Honiara, der Hauptstadt der Salomonen, statt. Indonesien, das bereits seit längerem den Beobachterstatus in der MSG hatte, war mit einer Delegation vertreten, die sehr viel Geld übergeben konnte, um die Entscheidungen zu beeinflussen. Doch die Delegation war im Sinne Indonesiens nicht erfolgreich. Die Wahrheit setzte sich durch. Wenn auch vor allem die Regierungen von PNG und Fiji Indonesien unterstützen, standen sie unter außerordentlichem Druck seitens der eigenen Bevölkerung und der Zivilgesellschaft. Die Regierungen der Salomonen und Vanuatus sowie die Freiheitsbewegung von Neu-Kaledonien unterstützen den Antrag der ULMPW. Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden: Indonesien wurde zwar als assoziiertes Mitglied aufgenommen, aber die ULMWP erhielt als Vertretung Papuas den Status eines Beobachters. Obwohl nur im Status eines Beobachters, ist dies ein erster Schritt zur internationalen Anerkennung des Kampfes des Papua-Volkes. Indonesien war sichtlich enttäuscht über diese Entscheidung. Die Enttäuschung Indonesiens brachte der stellvertretende Außenminister Abdurrahman Mohammad Fachir zum Ausdruck. Er sagte, dass Indonesien nicht durch zwei verschiedene Gruppen im der MSG vertreten werden könne. Außerdem weise er die Beschuldigungen von Menschenrechts-verletzungen zurück, die von der so genannten ULMWP erhoben würden. Auch in Jakarta zeigte sich die Enttäuschung: Eine Gruppe von Parlamentariern fragten, warum die Regierung nicht in der Lage sei, diese kleine Gruppe (die ULMWP) aus der Welt zu schaffen. Die Regierung habe Milliarden Rupien umsonst ausgegeben, um diesen Schritt der OPM zu verhindern.

Der Premier der Salomonen, Manasseh Sogavare, sprach sich in seiner Rede zur Eröffnung der Vollversammlung der MSG klar für die Unabhängigkeit Papuas aus. Er sagte, die MSG sei die offizielle Vertretung dieser Region unterhalb der VN. Sie treffe ihre Beschlüsse nach internationalem Recht und auf der Basis der christlichen Lehre. „Wenn wir Wahrheit, Frieden und den Schutz des Lebens suchen, haben wir die Pflicht, diesen Prozess zu unterstützen. Daher unterstützt die Regierung der Salomonen die Aufnahme der ULMWP in die MSG als Beobachter.“ Nachdem die ULMWP in die MSG aufgenommen war, wandte sich ihr Generalsekretär Octavianus Mote an verschiedene andere Mitgliedsländer des Forums Pazifischer Staaten. Am 14. Juli 2015 erklärten die Regierungen von Samoa und Tonga ihre Unterstützung für die Unabhängigkeit Papuas. Am 10. August folgte die Regierung der Salomonen mit einer Erklärung, dass West-Papua Mitglied im Forum Pazifischer Staaten werden solle. Das Mitglied des Parlaments der Salomonen Matthew Wale wurde zum Beauftragten für West-Papua ernannt. Ende August tagte das Forum für Entwicklung der pazifischen Staaten in Suva, der Hauptstadt Fijis. Octavianus Mote durfte als Mitglied der Delegation der Salomonen teilnehmen. Doch Fiji verweigerte ihm die Teilnahme. Darauf besuchte Mote Neuseeland und PNG und nahm an der Vollversammlung des Forums Pazifischer Staaten in Port Moresby teil. Benny Wenda wurde zum zweiten Mal die Einreise nach PNG verweigert, während Yakob Rumbiak und Rex Rumakiek sich schon vorher in PNG aufhielten und Kontakte zu den Führern der pazifischen Staaten aufnahmen.

5. Aktivitäten in den Ländern des Forums Pazifischer Inseln (Pacific Island Forum, PIF)

Mehr als 35 Solidaritätsgruppen der Zivilgesellschaft im Pazifik wurden aktiv und traten für ihre melanesischen Geschwister in West-Papua ein. Es gelang ihnen, das Problem West-Papua auf die Tagesordnung der Vollversammlung des Forums Pazifischer Inseln (PIF) in Port Moresby zu setzen. Papua wurde eins von fünf wichtigen Themen dieser Versammlung Anfang September 2015. Damit öffnete sich ein weiteres Kapitel des diplomatischen Kampfes mit Indonesien nach der MSG-Versammlung in Honiara. Drei Punkte zu West-Papua sollten behandelt werden: (1) Das Forum der Pazifischen Inseln soll eine Fact Finding Mission nach West-Papua entsenden. (2) Es soll die VN dazu bewegen, einen Sondergesandten nach Papua zu schicken. (3) West-Papua soll auf die Liste der zu dekolonisierenden Ländern gesetzt werden. Am 5. und 6. September 2015 – kurz vor Beginn des Staatengipfels – versammelten sich Vertreter der Zivilgesellschaft unter dem Schirm der Pacific Islands Association of NGOs (PIANGO) in Port Moresby. Es wurden zwei Empfehlungen zur Verhandlung auf dem Gipfel ausgesprochen: Das Klima-Problem und das Problem West-Papua. Die Zivilgesellschaft bat das Papua-Volk auch offiziell um Verzeihung dafür, dass man das Leiden der Papua seit mehr als 50 Jahren nicht beachtet habe.

Emele Duituturaga, der Direktor von PIANGO sagte, dass seit der Annektion Papuas durch Indonesien die Verbindung zum Pazifik unterbrochen sei, „so dass wir nicht wissen, was dort geschieht. Aber heute ermöglichen uns die sozialen Medien, dass wir uns gegenseitig informieren. Darum möchten wir unseren Geschwistern in Papua zur Seite stehen. Wir werden nicht schweigen, bis Papua vom Kolonialismus Indonesiens befreit ist“.

Nachdem Indonesien Kenntnis hatte von der Tagesordnung der PIF-Versammlung, sandte es erneut Delegationen in den Pazifik. PNG, Fiji, Neuseeland und Australien unterstützen ohnehin die indonesische Position. Die Salomonen, Tonga und einige andere kleiner Länder drängten auf die Entsendung einer Fact-Finding-Mission nach West-Papua. Andererseits gab es die people`s power als eine Bewegung, die der Geschichte des Kampfes von West-Papua eine besondere Farbe gibt. In PNG gab es große Demonstrationen, die einige große Städte für Stunden lahm legten. Ähnliche Demonstrationen gab es auch in Honiara, Port Vila, Suva, Neuseeland, Australien und Samoa. Am 10. September 2015 fasste die Vollversammlung des Forums Pazifischer Inseln den Beschluss, eine Fact-Finding-Mission nach Papua zu entsenden. Der Premier von PNG, Peter O´Neill, wurde beauftragt, innerhalb der nächsten 12 Monate dazu mit der indonesischen Regierung eine Vereinbarung zu treffen. Indonesien selbst war natürlich sehr enttäuscht. Das zeigt die Reaktion des stellvertretenden Außenministers Abdurrahman Mohammad Fachir am 11. September in Port Moresby, als die Resolution bekannt wurde. Er sagte, das Forum Pazifischer Inseln sei nicht der Ort, an dem die Probleme Papuas verhandelt werden sollten. Einige Parlamentarier in Jakarta äußerten sich ähnlich.

In Papua reagierte Indonesien mit einem neuen Szenario. Angeblich wurden an der Grenze zu PNG zwei Indonesier von Unbekannten entführt. Natürlich wurde vermutet, dass die Entführung vom indonesischen Geheimdienst initiiert wurde. Die lokalen Medien wussten zu berichten, die Entführung sei von einer Gruppe Mitarbeiter der Holzfirma Hanurata ausgeführt worden. Diese Firma gehört der militärischen Sondereinheit Kopassus. Die Entführten seien Arbeiter eines anderen Holzunternehmens, das einem Beamten der Mobilen Polizeibrigade (Brimob) gehöre.

Die offizielle Reaktion der indonesischen Regierung auf den Beschluss der Vollversammlung des Forums (PIF) wurde vom Premier der Salomonen, Manasseh Sogavare, zurückgewiesen. Er sagte: „Wir haben diesen Beschluss in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Forums getroffen. Wir haben hier schon immer als pazifische Familie zusammengelebt, und Papua ist nun einmal ein Teil der pazifischen Inseln. Einerseits zeigt unsere Mitgliedschaft in den VN, dass wir die Souveränität Indonesiens über West-Papua anerkennen. Andererseits haben die VN feste Grundsätze zu den Menschenrechten und dem Recht auf Selbstbestimmung für solche Völker, die noch keine eigene Regierung haben, festgelegt. Wenn also ein Mitgliedsstaat der VN Menschenrechtsverletzungen begeht, ist das keine innere Angelegenheit dieses Staates, sondern betrifft alle Mitglieder der VN. Indonesien hat seine Zuständigkeiten in West-Papua missbraucht.“ Weiter sagte der Premier, dass er als nächsten Schritt das Problem West-Papua Ende September auf die höhere Ebene, nämlich in die Vollversammlung der VN bringen werde. Seine Regierung werde gemeinsam mit den pazifischen und anderen Länder West-Papua in die Kommission der VN für Dekolonialisierung bringen. Vorher würden die Salomonen jedoch ein Treffen der weltweiten Zivilgesellschaft, die solidarisch mit Papua ist, ermöglichen. Bei diesem Treffen würden die Schritte zur Registrierung bei jener Kommission vorbereitet.

6. Das Problem West-Papua auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen (VN) in New York

Ende September wurde das Problem West-Papua auch in der Vollversammlung der VN angesprochen. Am 29. September 2015 erwähnte der Premier von Tonga, Akilisi Pohiva, das Problem der Menschenrechtsverletzungen in Papua. Tonga ist ein kleines Land in der Region Mikronesien. Pohiva sagte, dass alle Führer aufgerufen seien, gegen Ungerechtigkeit und die Verletzung von Menschenrechten und Menschenwürde in der ganzen Welt zusammen zu arbeiten, insbesondere auch im Blick auf West-Papua in Melanesian, wo besonders brutale Übergriffe geschehen würden. Er bat die VN, Schritte einzuleiten, diese Zustände in West-Papua zu beenden.

Am nächsten Tag sprach Premier Manasseh Sogavare von den Salomonen. Er rief die VN dazu auf, die Resolution aus dem Jahr 1960 durchzusetzen, nach der allen Kolonien die Unabhängigkeit gegeben werden müsse und sie das Recht auf eine eigene Regierung hätten. Er betonte, dass die Prinzipien der Menschenrechte universal seien. Alle Staaten hätten die Pflicht, diese entsprechend den Regeln der VN zu beachten und durchzusetzen. Die Übertreter dieser Regeln müssten nach internationalem Recht bestraft werden. Den Vereinten Nationen sollten die Menschenrechtsverletzungen in den beiden ethnisch-melanesischen Provinzen Papua und West-Papua bewusst werden. Die Solomonen und das Forum Pazifischer Inseln würden einen ehrlichen Dialog mit Indonesien suchen. Der Menschenrechtsrat der VN in Genf wurde aufgerufen, gründliche Untersuchungen der Menschenrechtsverletzungen und der Gewaltakte in den beiden genannten Provinzen durchzuführen. Der Premier rief die indonesische Regierung auf, bei der Entsendung einer Fact-Finding-Mission, die auf der Vollversammlung des PIF in Port Moresby beschlossen worden war, freien Zugang zu gewähren. Schließlich sagte er, dass die VN nicht aus der Verantwortung entlassen werden könnten, da sie selbst ja die Wurzel der heutigen Probleme seien, sie hätten diese Probleme geschaffen.

Am 3. Oktober 2015 antwortete die indonesische Delegation auf die Reden der beiden Premiers der Salomonen und Tonga. Indonesien wies die Beschuldigungen von Menschenrechtsverletzungen zurück. Indonesien habe eine eigene Menschenrechts-kommission, die alle Fälle gerecht, wahrheitsgemäß und transparent untersuche und vor Gericht bringe. Es gebe daher keine Menschenrechtsverletzungen in Papua. Darauf antwortete wieder die Vertretung von Tonga. Sie nannte drei Punkte: (1) Die Regierung von Tonga werde mit der indonesischen Regierung zusammenarbeiten um die Menschenrechts-verletzungen zu beenden. (2) Die Regierung von Tonga werde mit dem Forum der Pazifischen Inseln zusammenarbeiten, um Menschenrechtsverletzungen in Papua zu dokumentieren. (3) Die Regierung von Tonga werde nach internationalem Recht vorgehen. Diese Haltung wurde am 12. Oktober 2015 noch einmal von der Regierung Tongas bestätigt. Der Außenminister von Tonga sagte, seine Regierung werde mit Indonesien zusammenarbeiten, indem sie sich an der Entsendung einer Fact-Finding-Mission nach West-Papua durch das Forum der Pazifischen Inseln beteiligt. Auch die Vertretung der Salomonen antwortete Indonesien in ähnlicher Weise: Sie betonte drei Punkte: (1) Unsere Regierung begrüßt die Zusammenarbeit mit Indonesien und mit allen Menschen in dieser Welt, um die Menschenrechtsverletzungen in West-Papua zu beenden. (2) Unsere Regierung wird mit dem Forum Pazifischer Inseln mit dem gleichen Ziel zusammen arbeiten. (3) Unsere Regierung wird mit dem Menschenrechtsrat der VN entsprechend den Vereinbarungen und Erklärungen der VN zusammenarbeiten, indem wir die geltenden internationalen Mechanismen nutzen.

7. Schlussbemerkungen

Die indonesische Regierung betont immer wieder zwei Dinge: (1) Sie wiederholt ständig, dass es in West-Papua keine Menschenrechtsverletzungen gebe. (2) Sie betont, dass Indonesien eine eigene Menschenrechtskommission habe. Doch mit diesen beiden Behauptungen lassen sich die Gewaltakte, die in Papua immer wieder geschehen, nicht aus der Welt schaffen. Damit lässt sich auch der internationale Druck nicht verhindern. Denn die Menschenrechts-Kommission Indonesiens erfüllt keineswegs den internationalen Standard. Die Fälle, die von der Kommission untersucht wurden, wurden zwar an den Staatsanwalt weiter geleitet, kamen aber niemals vor Gericht. Trotzdem behauptet Indonesien immer wieder falsche Tatsachen und belügt damit die internationale Gemeinschaft. Daher ist internationale Aufmerksamkeit für das Problem Papua dringend erforderlich. Damit dies geschehen kann, sind zwei Maßnahmen wichtig: (1) Die United Liberation Movement for West Papua (ULMWP) muss vom Volk der Papua gestärkt und finanziell unterstützt werden, damit die notwendigen Schritte auf internationaler Ebene getan werden können. (2) Die Aktivisten und Unterstützer West-Papuas in aller Welt sollten ihre Visionen und Aktionen gemeinsam mit der ULMWP planen. Sie ist die offizielle politische Vertretung des Papua-Volkes.

Ibrahim Peyo aus Westpapua studiert derzeit Anthropologie in München.