Oscar Temaru überragender Wahlsieger

25.02.2005: Lorenz Gonschor berichtet aus Französisch-Polynesien

Bei den partiellen Neuwahlen zur Versammlung Französisch-Polynesiens im Wahlkreis Inseln des Windes (Tahiti und Moorea) am 13. Februar hat das von Oscar Temaru geführte Wahlbündnis Union pour la Démocratie (UPLD) eine überragende Mehrheit erhalten. Mit 46,94 % der Stimmen deutlich führend, kommt die UPLD in den Genuss der 33%-Sitze-Bonusklausel für die stärkste Partei und erhält 25 der zu verteilenden 37 Sitze, gegenüber nur 10 Sitzen für die Tahoeraa Huiraatira des Präsidenten Gaston Flosse (40,00 % der Stimmen). Mit deutlichem Abstand drittstärkste Kraft wurde das Wahlbündnis Alliance pour une Démocratie Nouvelle (ADN) unter der Führung von Nicole Bouteau und Philip Schyle, das mit 10,56% 2 Sitze erhält. Die vier anderen zur Wahl angetretenen Parteien, Taatira No Te Hau (Robert Tanseau), Porinetia Ora (Reynald Temarii), Te Avei’a (Antonio Perez) und Te Taata Tahiti Tiama (Alexandre Germain) erhielten mit jeweils weniger als 1,5 Prozent keine Sitze.

Die Neuwahlen waren von Paris angeordnet worden, nachdem der französische Staatsrat am 15. November die Wahlen vom 23. Mai letzten Jahres im Wahlkreis Inseln des Windes für ungültig erklärt hatte, weil es angeblich Unregelmäßigkeiten gegeben hätte. Die UPLD hatte damals in diesem Wahlkreis mit 41,33% gegen 40,87% für die Tahoeraa eine hauchdünne Mehrheit erhalten, aber aufgrund der Bonusklausel dennoch eine starke Mehrheit von 24 Sitze erhalten (gegen 11 für die Tahoeraa) Gegenüber diesem knappen und deshalb umstrittenen Ergebnis legte die UPLD nun deutlich zu und hat einen unmissverständlichen Vorsprung vor der Tahoeraa. Das Wahlergebnis bestätigte somit, dass Temarus knapper Wahlsieg letztes Jahr nicht ein "Betriebsunfall" war, wie es Flosse und seine Pariser Freunde um Präsident Chirac sich eingeredet hatten, sondern ein erstes Anzeichen eines tiefgründigen Volkswillens zum politischen Wechsel. Deutlich geworden war dies bereits im Oktober letzten Jahres, als Flosse Temaru in einem Misstrauensvotum gestürzt hatte, nach dem ein UPLD-Abgeordneter die Seiten gewechselt hatte, woraufhin mehr als 22 000 Leute in einer Massendemonstration ihre Solidarität mit Oscar Temaru bekundeten und sofortige Neuwahlen in allen Wahlkreisen forderten. Später unterzeichneten knapp 43 000 eine Petition mit dem gleichen Ziel. Paris leistete dem auf diese Art geäußerten Volkswillen aber kein Gehör, und in den Wahlkreisen der äußeren Inseln wurden keine Neuwahlen angeordnet, obwohl es dort umso stärkere Unregelmäßigkeiten gegeben hatte. Da die 20 Sitze dieser Wahlkreise mehrheitlich von der Tahoeraa gehalten werden (17 Sitze gegen nur 3 für die UPLD), gibt es in der Versammlung insgesamt trotz des überragenden Wahlsieges der UPLD keine klare Mehrheit.


Die UPLD (Bündnis aus Oscar Temarus Unabhängigkeitspartei Tavini Huiraatira und den kleineren Parteien Ai’a Api, Here Ai’a, Ia Mana Te Nunaa, Heiura- Les Verts, Te Hono E Tau I Te Honoaui, Tapura Amui No Tuhaa Pae und der Gewerkschaft O Oe To Oe Rima) hat nun insgesamt 28 Sitze, während die Tahoeraa auf 27 Sitze kommt, und ADN (Bündnis der Parteien Fetia Api und No Oe E Te Nunaa) 2 Sitze hält. Damit ist die Versammlung erneut ohne klare Mehrheit, wie es schon nach der Wahl im Mai 2004 der Fall war (damals Tahoeraa 28, UPLD 27, Fetia Api 1, No Oe E Te Nunaa 1) Noch verkompliziert wird die Situation dadurch, dass die beiden ADN-Abgeordneten angekündigt haben, politisch neutral zu bleiben und nicht mehr wie letztes Jahr eine Regierungskoalition mit der UPLD einzugehen.

Der Wahlkampf war von zahlreichen Provokationen und Zwischenfällen begleitet und hatte das Land mehr politisch polarisiert als je eine andere Wahl zuvor. Am 5. Februar waren erneut zwischen 15 000 und 25 000 Leute zu einer Massendemonstration für die UPLD erschienen, während die Tahoeraa zahlreiche Autokorsos organisierte, um ihre Präsenz zu zeigen.

Obwohl Flosse angekündigt hatte, zurückzutreten, falls seine Partei die Wahlen verliert, weigerte er sich nach seiner Niederlage, dieser Ankündigung Folge zu leisten und klammerte sich erneut mit allen Mitteln an die Macht, wie er es schon nach der Wahl im Mai letzten Jahres getan hatte. Die UPLD brachte deshalb einen Misstrauensantrag ein, und am Freitag 18. Februar wurde Flosse mit den Stimmen von UPLD und ADN in einem Misstrauensvotum abgesetzt, führt aber die Regierung weiterhin kommissarisch bis zur Wahl eines neuen Präsidenten. Eine Sitzung zu diesem Zweck wurde für den 28. Februar einberufen. Die beiden ADN-Abgeordneten haben angekündigt, sich bei dieser Wahl der Stimme zu enthalten, was der UPLD nur eine relative Mehrheit von 28 gegen 27 Stimmen gibt. Entsprechend dem Statut reicht eine relative Mehrheit zwar aus, um Oscar Temaru erneut zum Präsidenten zu wählen, doch ohne klare Parlamentsmehrheit wird das Regieren für die neue Regierung recht schwierig, weshalb davon auszugehen ist, dass die politische Instabilität in Tahiti noch lange andauern wird.

(Quellen: Augenzeugnis des Autors, La Dépêche de Tahiti, Les Nouvelles de Tahiti, to’ere, Tahiti-Pacifique)