Papua-Neuguinea plant riesige Thunfischindustrie - EU-Regel hilft

21.05.2012: von Christiane Oelrich, dpa

Thunfisch ist populär und wird teils rar. Vor Papua-Neuguinea im Pazifik liegen die größten Fanggründe. Das verarmte Land will jetzt eine riesige Fischverarbeitung aufziehen. Die EU macht das mit Konzessionen attraktiv. Anwohner und Tierschützer protestieren.

Madang (dpa) - Beim Thema Thunfischfabrik rümpft Rosalie Firth die Nase: "In der Nähe der Fabrik stinkt es erbärmlich, den Kindern wird immer schlecht", sagt die Frau aus dem Dorf Bomlon bei Madang in Papua-Neuguinea (PNG). Schon die eine Fabrik hat die Anwohner aufgebracht - und es sollen mehr werden: Die Regierung plant eine 215 Hektar große Fischverarbeitungszone mit zehn Fabriken. Bei Lae ein paar Hundert Kilometer weiter südlich sollen noch vier Fabriken entstehen. Die EU macht das attraktiv: Sie hat die Herkunftsregeln für PNG gelockert: Egal, wer den Fisch wo fängt, solange er hier verarbeitet wird, darf er zollfrei in die Union verschifft werden.
Anwohnern, Umwelt- und Tierschützern sind die Pläne ein Dorn im Auge. Überfischung und Zerstörung der Küstenflora und -fauna befürchtet die Organisation Bismarck Ramu Group. "Die Philippiner kommen zu uns zum Fischen, weil ihnen der Fisch ausgegangen ist", sagt die Aktivistin Rosa Koian. "Diese Leute fischen ohne Rücksicht auf Regeneration der Bestände. Und wir sehen bei der einen Fabrik schon, wie Schiffe das Küstenwasser mit Chemikalien verpesten. Wir haben Delfine gesehen, die direkt vor unserer Küste verendet sind." Doch die Regierung ist unbeirrt. Sie hat einen Kredit der chinesischen Eximbank und einen chinesischen Bauherrn angeheuert.

Fast ein Fünftel der weltweit gefangenen Thunfische kommen aus Papua-Neuguineas Gewässern - aber das Land hat wenig davon: Zwei Drittel der jährlich rund 700 000 Tonnen werden von Japanern, Taiwanesen, Südkoreanern und Chinesen gefischt. Sie zahlen PNG dafür eine Lizenzgebühr. Eine größere eigene Flotte kann das bitterarme Land zwar nicht auf die Beine stellen. Aber es will zumindest einen Großteil des Fangs künftig selbst verarbeiten. Thailand hat auch keine nennenswerte eigene Flotte, ist aber mit einem Anteil an der Verarbeitung von 46 Prozent Weltmarktführer.

"PNG will den Mehrwert aus der Fischverarbeitung im Land behalten und für seine Entwicklung nutzen, das ist nachvollziehbar", sagt Martin Dihm, EU-Botschafter in der Hauptstadt Port Moresby.

Die EU-Konzession, Thunfisch jeglicher Herkunft zollfrei zu akzeptieren, solange er in PNG verarbeitet wurde, macht eine Fischverarbeitungszone in großem Stil attraktiv. Papua-Neuguinea ist mit 16 000 Tonnen im Jahr der viertgrößte EU-Lieferant von Thunfisch in Dosen, nach Thailand, Ecuador und den Philippinen. In der EU sind Deutschland, Großbritannien und Dänemark die wichtigsten Märkte.

In Brüssel haben sich Verbrauchervertreter im Wirtschafts- und Sozialausschuss, der die EU berät, schon aufgeregt. Die EU fördere "die Überfischung der bereits bis an ihre Grenze belasteten Thunfischbestände im Pazifik", meinten sie im vergangenen Jahr - auch wenn es ihnen wohl eher um die heimische Industrie ging. "Der Papua-Neuguinea und den Fidschi-Inseln (...) eingeräumte Ursprungsstatus für Fischereierzeugnisse zerstört das Gleichgewicht auf dem Weltmarkt für Thunfisch."

Nach so viel Kritik und Widerstand hat die EU Experten nach PNG geschickt. Ihr Fazit: Eitel, Freude, Sonnenschein. In ihrem Bericht beurteilen sie die Thunfischbestände in der Region "generell positiv". Und: "Es gibt, wenn überhaupt, nur wenige dokumentierte Fälle, dass Verarbeitungsfabriken permanente Umweltschäden verursacht haben." Vielmehr könnten zehntausende Arbeitsplätze entstehen. "Die (Konzession) wird eine wichtige Rolle im geplanten Ausbau der Industrie und bei ihrem Überleben spielen", frohlockt die EU.

Ungeachtet der Anwohnerproteste gehen die Vorarbeiten in Madang voran. Über Nacht wurde das riesige, lange brach liegende Gelände eingezäunt. "Unsere Fischer müssen nun kilometerweit zur Küste laufen", sagen die Einwohner von Bomlon. "Wir kommen nicht mehr an die Mangroven, wo wir Austern und Krabben geholt haben."

"Die riesigen Fabrikschiffe, die den Fisch hier anlanden, verjagen jetzt schon die Fische da, wo wir fischen, in Küstennähe", sagt Rosalies Mann David. Aber die neuen Arbeitsplätze? Die Einwohner lachen verächtlich. "Das ist Schwerstarbeit zum Niedrigstlohn", sagen sie. "Das zieht nur junge ungelernte Arbeiter an, die hier in Slums leben und nur Ärger machen", sagt sie. "Und Prostituierte, die Schiffsbesatzungen bedienen, die monatelang unterwegs waren."