Pazifik all überall

16.11.2017: Ein Kommentar zur Weltklimakonferenz COP23, Bonn 2017

Der Pazifik in aller Munde

Ein Kommentar von Julia Ratzmann, Pazifik-Infostelle

Und plötzlich ist er da- herausgetreten aus seinem weltweiten Schattendasein: Der Pazifische Ozean und seine buchstäblich vom Untergang bedrohten Bewohner sind bei der Weltklimakonferenz COP23 in Bonn derzeit in aller Munde. Jeder Journalist und jede Hörfunkredakteurin meint, nun einen Bericht über diejenigen schreiben zu können, denen nach gut gemeinter Recherche wohl das Wasser schon bis zum Halse steht. "Bad news are good news"

und so stürzen sich Teilnehmer, Besucher und die Medien auf die geschätzten rund 2.000 Pazifik-Insulaner aus Palau, Nauru, Fidschi, Samoa und Mikronesien, die sich in den Bonner Rheinauen tummeln. Schnell ein Statement abgreifen und so auf den Zug aufspringen, man habe EXKLUSIV mit den ersten Klimaflüchtlingen gesprochen, die schon bis zur Hüfte im Ozean standen, bevor sie fluchtartig ihre Heimat verlassen mussten.
S
o genau weiß man aber auch nicht, wo diese Heimatländer eigentlich liegen. Kurzerhand ist Kiribati da zu einer kleinen (!) fidschianischen Insel verkommen und ein ehemaliger Militärkommandant, der sich unter fadenscheinigen Argumenten als Premierminister emporgeschwungen hat, ist nun Präsident der Weltklimakonferenz und diskutiert mit politischen Weltmächten über den Kohleausstieg so eloquent, dass man denken könne, in Fidschi gebe es ein Kohlebergwerk neben dem anderen. "So ein Drama- die Inseln gehen unter", tönt es von Leuten, die garantiert noch nie in der Region waren, geschweige denn wissen, wie man Kiribati richtig ausspricht.
Ärgerlich finde ich das und fühle mich gehörig eingeschüchtert von der pazifischen Expertise, die man mir entgegenschleudert.
Da kann ich nach 17 Jahren Pazifikarbeit schon mal ins Grübeln kommen, ob sich denn die ganze Aufklärungsarbeit der Pazifik-Infostelle und des Pazifik-Netzwerkes überhaupt gelohnt haben? Leider waren eben wir Pazifik-Netzwerkler im Vorfeld der Konferenz weder informiert worden noch (mit Ausnahme eines großen Berliner Werkes) eingeladen worden als Diskussionspartner und Ressource-Persons für pazifische Themen bei den zahlreichen Nebenschauplätzen der 23. Weltlimakkonferenz. Jeder aus unseren Reihen hätte Fidschi auf der Landkarte verorten können und gewußt, dass Bikini nicht nur eine sexy Badebekleidung ist. So mussten wir uns mit der Rolle der Zuschauer begnügen. Immerhin wahrgenommen worden sind wir von den zahlreichen "pazifischen starken Frauen", die es nach Bonn geschafft hatten und dort auf Podien und in side-events sich bemühten, auf die Entwicklungen in Ozeanien hinzuweisen. Bedauerlich nur, dass Fiame Mata'afa (stellvertretende Premierministerin von Samoa und erste Frau in diesem Amt) und Dr. Jiko Fatafehi Luveni (erste weibliche Parlamentssprecherin von Fidschi) nicht an den eigentlichen Klimaverhandlungen beteiligt waren, sondern nur zu Themen wie Gendergerechtigkeit und "Loss and Damage" aus Sicht von Frauen gesprochen haben.
In spätestens 14 Tagen wird das Interesse am Pazifik erloschen sein und der Pazifik wird wieder verschwinden hinter den Bildern von barbusigen Hula-Schönheiten an goldgeben Sandstränden vor türkisblauem Wasser. Es gibt noch viel zu tun, meine lieben pazifischen Mitstreiter!


Zur Information: Die Klimakonferenz in Zahlen

Die Präsidentschaft der zwölftägigen Weltklimakonferenz ab 6. November in Bonn haben die Fidschi-Inseln. Aus organisatorischen Gründen wird das Treffen jedoch in Deutschland ausgerichtet. Geplant sind rund 400 Veranstaltungen. Das Umweltministerium rechnet mit:

  • etwa 25 000 Teilnehmern
  • rund 195 Staaten
  • 500 Nichtregierungsorganisationen etwa aus der Wirtschaft, dem Umweltschutz, der Forschung und von den Kirchen
  • 1300 Journalisten.

Damit wird die Veranstaltung nach Ministeriumsangaben die größte zwischenstaatliche Konferenz, die es in Deutschland je gegeben hat. (dpa/Stand 10.11.2017)