Freihandelsabkommen – Die Entmachtung der Parlamente

05.03.2014: Veranstaltungsbericht

Freihandelsabkommen – Die Entmachtung der Parlamente:
Unter diesem Titel hatte das "Forum Umwelt und Entwicklung" zu einer Podiumsdiskussion am 24. Februar ins Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin eingeladen. Thema sollte die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) sein, die momentan zwischen EU-Kommission und US-Regierung hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird. Etwa 45 Personen folgten der Einladung. Auf uns wartete eine Diskussion, die erschreckende Eindrücke zum einen von Schaffung und Inhalt des TTIP und verwandter Abkommen, zum anderen von den Wissenslücken deutscher Bundestagsabgeordneter hinterließ.
Begonnen wurde der Abend mit einer Begrüßung und einer Einführung in den europäischen Gesetzgebungsprozess von Jürgen Maier, Vertreter des Forums Umwelt und Entwicklung. Er betonte, dass sich die Podiumsdiskussion vor allem um die Art und Weise drehen solle, wie TTIP zustande käme, und weniger um den eigentlichen Inhalt der Partnerschaft. So hätten die europäischen Parlamente so gut wie keine Macht über TTIP – weder über die Ausgestaltung, noch (mit Ausnahme des Europäischen Parlaments) über das Inkrafttreten. Insgesamt sei das Abkommen ein weiteres Beispiel für die „Diktatur der Exekutive“, die auf europäischer Ebene herrsche. TTIP dürfe nicht einfach nur gestoppt werden, sondern es müsse zu einer grundlegenden Neuorientierung der europäischen Außenhandelspolitik kommen. Sowohl was ihre Entstehungsprozesse, als auch was ihre Inhalte angehe.

Nach dieser Einführung bat Maier die TeilnehmerInnen der Diskussion aufs Podium. Er merkte dabei an, dass die CDU die Veranstaltung offenbar boykottieren wolle, kein CDU-Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Bundestags sei bereit gewesen, teilzunehmen. Die ebenfalls eingeladene Spitzenkandidatin der Grünen für das Europaparlament, Ska Keller, habe kurzfristig abgesagt. Übrig geblieben waren Helmut Scholz, Mitglied des Europäischen Parlaments für Die Linke und im EP Mitglied des Handelsausschusses, Carsten Schatz, für Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus, Nina Scheer und Klaus Barthel, beide Bundestagsabgeordnete der SPD und dort Mitglieder im Wirtschaftsausschuss. Die Moderation übernahm Silvia Liebrich, Wirtschaftsredakteurin bei der Süddeutschen Zeitung.

In ihren Eröffnungsstatements waren sich die vier Diskutierenden in ihrer Ablehnung gegenüber TTIP in dieser Form einig. Scholz erweiterte die Frage nach dem Abkommen noch um etwas Kapitalismuskritik, das Grundproblem dahinter sei, wie man international produzieren, handeln und konsumieren wolle. Und Barthel merkte an, dass die Diskussionsrunde aufgrund der Einigkeit wohl etwas lahm zu werden drohe, er werde deshalb versuchen, ausgewogen zu argumentieren und auch Argumente der TTIP-Befürworter zu bringen. Im weiteren Verlauf der Diskussion kam von seiner Seite allerdings nichts mehr von Substanz, die versuchte er durch leere Phrasen und Allgemeinplätze wettzumachen. Nach etwa einer Stunde, gut der Hälfte der vorgesehenen Diskussionszeit, ging er dann auch, er musste noch zu einem anderen Termin.

Liebrich warf ebenfalls einige Pro-Argumente in den Raum, unter anderem das des vorausgesagten gesteigerten Wirtschaftswachstums, stellte aber gleichzeitig die Frage, wie viel Demokratie man für Wirtschaftswachstum aufgeben wolle. Nach diesem kurzen Monolog der Moderatorin richtete sie an die Diskutierenden die Frage, ob sich TTIP nicht in Konkurrenz zum multilateralen Ansatz der WTO befinde. Dies bejahten Scholz und Scheer ausdrücklich, das neue Freihandelsabkommen ist in ihren Augen ein Versuch der alten Industrienationen in Europa und Nordamerika, ihre Vormachtstellung gegenüber den aufstrebenden Wirtschaftsmächten zu sichern.

Schatz wurde von Liebrich gefragt, ob und wie TTIP denn die „einfachen Leute“ angehen würde. Er antwortete, dass diese vom Abkommen sehr wohl auch direkt betroffen sein würden, beispielsweise im Bereich der Wasserversorgung oder des Schienennahverkehrs, da wohl auch öffentliche Ausschreibungen teil von TTIP sein würden. Dies war der einzige Punkt, zu dem Schatz wesentliches beitragen konnte. Er wirkte zwar freundlich und auf seinem Gebiet auch kompetent, war aber in dieser Diskussion eher fehl am Platz.

Auf die Frage, welche Papiere über die Verhandlungen man als Mitglied des Handelsausschusses Europäischen Parlaments denn zu sehen bekäme, erklärte Scholz, dass sie dort nur die Verhandlungsposition der EU kennen würden, nicht die der Amerikaner und schon gar nicht die tatsächlichen Gegenstände der Verhandlungen.

Zwischendurch musste Scheer dann irgendwann feststellen, dass sie über große Wissenslücken verfügte, was Verhandlungen und Ergebnisse auch von anderen Freihandelsabkommen der EU anging. Sie wurde von Scholz mehrmals verbessert und gestand schließlich ein, dass sie wohl einige Wissensdefizite habe. Kritisierte man sie dafür, reagierte sie allerdings schmollend bis zickig. Nachdem die Diskussion auch für das Publikum geöffnet wurde – zu spät, wie einige monierten – kam von dort der Hinweis, dass TTIP wahrscheinlich eh irrelevant werde, sobald das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) in Kraft trete. Dieses enthalte im Wesentlichen die gleichen Regelungen wie TTIP und sei weitgehend fertig verhandelt, finde aber kaum Aufmerksamkeit. Scholz bestätigte, dass CETA im Europäischen Parlament wahrscheinlich 2015 zur Abstimmung stehen werde, noch aber verhindert werden könne.

Auf die Frage, was man als Bürger konkret tun könne, um TTIP oder CETA zu verhindern, antworteten Scholz und Schatz, dass man sich am besten direkt, per Brief oder E-Mail, an seine Abgeordneten wenden oder Petitionen gegen die Abkommen zeichnen solle. Die Wirksamkeit dieser Aktionen wurde im Publikum allerdings angezweifelt, da die Parlamente ja kaum Einfluss auf die Verhandlungen und ihre Ergebnisse hätten. Insgesamt war die Veranstaltung durchaus sehr interessant, besonders in Hinblick auf zwei Dinge: Zum einen inhaltlich, was vor allem Jürgen Maiers Einführung, einigen Anwesenden im Publikum und Helmut Scholz´ großem Fachwissen zu verdanken war. Und zum anderen menschlich, waren Nina Scheers bockiger Umgang mit Kritik und Klaus Barthels nichtssagender Diskussionsstil wenn schon nicht schön, dann zumindest interessant.


Moritz Petri, Berlin

Politikwissenschafts-Student Moritz Petri (Berlin) nahm als Mitglied des Pazifik-Netzwerkes an dieser Veranstaltung teil.