‚Aus den Augen, aus dem Sinn'

01.12.2001: Umweltstudie kritisiert geplante Ramu-Nickel-Mine in Papua-Neuguinea

Ein kürzlich fertig gestelltes Gutachten des angesehenen australischen Mineral Policy Instituts hat den der Betriebsgenehmigung zugrunde liegende Umweltplan für die Ramu Nickel Mine als wenig stichhaltig kritisiert. Die langfristigen Risiken für das Ökosystem der betroffenen Meeresregion seien danach nicht ausgelotet und nur `best-caseA-Szenarien zugrunde gelegt worden. Die Annahme, dass die jährliche Ablagerung von fünf Millionen Tonnen Produktionsrückständen im Ozean keinerlei Auswirkungen auf die Ökologie, den Fischreichtum und die Tier- und Pflanzenwelt der Region habe, sei kaum zu akzeptieren. Angesichts dieser Kritik kann die Umweltstudie des Projekts nur als Freifahrtschein für ein weiteres durchaus realistisches Umweltdesaster in Papua-Neuguinea gewertet werden.

Das 840 Millionen US$ teure Projekt ist an der Nordküste Papua-Neuguineas in der Provinz Madang angesiedelt. Im Landesinneren sind mehrere Tagbauminen sowie eine Produktionsanlage für den feinen Erzstaub geplant. Dieser soll dann über eine 134 Kilometer lange Pipeline zur Verarbeitung in die Raffinerie am Meer gepumpt werden. Während das mittels Säuredrucktechnologie produzierte Nickelmetall und Kobaltsalz ins Ausland exportiert wird, sollen der Gesteinsabraum und die heißen Verarbeitungsschlämme - immerhin mehr als 70 Millionen Tonnen über eine Laufzeit von 20 Jahren - mittels Rohrleitung auf dem Meeresboden entsorgt werden.

Diese Ablagerung von Produktionsrückstanden (englisch: Submarine Tailings Discharge, STD) war Ziel der von der Evangelisch-lutherischen Kirche in Papua-Neuguinea und dem Bayerischen Missionswerk in Auftrag gegebenen Studie, welche den weitverbreiteten Zweifeln von Umweltorganisationen an der ökologischen Nachhaltigkeit des Projekts nachgehen sollte. STD wird seit 50 Jahren in der nördlichen Hemisphäre praktiziert. Doch erst mit wachsendem Umweltbewußtsein ist das Bemühen feststellbar, Abraum unterhalb der Oberflächenzone des Meeres zu verklappen. So werden derzeit in Papua-Neuguinea in den Goldminen Lihir und Misima Sedimente auf einer Meerestiefe von etwa 80 bis 100 Metern abgelagert.

Die `TechnikA wird als wesentlich sicherer für Mensch und Umwelt angesehen als Rückstandshalden zu Land, die aufgrund der Säurebildung der verbliebenen Restmetalle noch Jahrzehnte nach Schließung der Mine beaufsichtigt werden müssen. Hinzu kommt, dass die Landlagerung mittels Abraumdamm aufgrund der geologischen Instabilität, der seismischen Aktivität und der hohen tropischen Niederschläge schwierig zu handhaben ist, so jedenfalls die Industrie. Eine Ablagerung im Meer kommt die Firmen deshalb billiger. In einem Vergleich beider Methoden kam das US-Innenministerium auf 17% niedrigere Investitionskosten, denen nur eine geringe Erhöhung der Produktionsausgaben gegenüber steht. Bemerkenswert ist, dass zwei der vier weltweit mit dieser Methode arbeitenden Bergbaukonzerne aus den USA kommen. Dort ist wie auch in Kanada die Endlagerung im Meer praktisch verboten.

Der Umweltplan des Projekts geht davon aus, dass das Obenflächenwasser des Meeres schon innerhalb mehrerer Kilometer ab Einleitung durch Vermischung wieder Trinkqualität erhält. Die Rückstandseinleitungen sollen in tiefere Meereszonen abgleiten und dort durch natürliches Sediment bedeckt werden. Dem halten die drei Meereskundler und Chemiker des Gutachtens entgegen, dass eine Anhäufung der Sedimente in ufernahen Unterwassertälern und selbst der Transport mit der Meeresströmung bis in die entfernte Provinzhauptstadt wahrscheinlicher seien. Die Überlagerung der eingeleiteten Rückstände durch natürliche Biomasse könne zudem Jahrhunderte dauern.

Auch die Toxizität der eingeleiteten Stoffe hinsichtlich der chemischen Meerwasserzusammensetzung und die biologischen Einflüsse auf die Tiefseefauna werde nicht untersucht. Außer Acht bleibe zudem ein Bruch der Pipeline beispielsweise im Fall der in der Region häufigen Seebeben (Tsunami), dem eine Kontamination der örtlichen Riffe mit katastrophalen Ausmaßen folgen könne. Generell kritisieren die Gutachter die Angemessenheit der Datensammlung, die angewandte Methode, die Widersprüchlichkeit der Modelle und die Präsentation der Belege. Eine verantwortliche Risikobeurteilung müsse, so die Kritik, das breite Spektrum der Möglichkeiten abdecken. Dies schließe insbesondere den Faktor Unsicherheit mit ein.

Auch wenn die Umweltbeeinträchtigung heute kaum abschätzbar ist, wurde das Bergbauprojekt im Juni 2000 von der Regierung genehmigt. Die beiden Partner des Konsortiums, die australische Highlands Pacific und die mehrheitlich staatseigene Orogon Minerals (National 4.2.99), bemühen sich seitdem, international eine Finanzierung der enormen Anlaufkosten zu sichern. Bisher ohne Erfolg. Angesichts der politischen Instabilität und der hohen Kriminalität ist zumindest bis Abschluss der Parlamentswahlen Mitte des Jahres 2002 kaum mit weiteren Investoren und einem Baubeginn zu rechnen. Brisant sind auch 50 Konflikte zwischen Projektinitiatoren und beteiligten Landbesitzergruppen, die nun durch Vermittlung der Regierung beigelegt werden sollen.

Angesichts der wirtschaftliche Rezession und des absehbaren Endes der meisten bestehenden Bergwerke und Ölförderanlagen wird vor allem die nationale Regierung auf eine Realisierung des Projekts drängen. Allein 26% der Wirtschaftsleistung und 77% der Exporte werden heute von diesem Sektor erbracht (National 26.10.01). Alternativen in anderen Wirtschaftsbereichen sind nicht in Sicht. Aber auch die Stämme der betroffenen Region unterstützen das Projekt. Sie erhoffen sich die Teilnahme an der modernen Welt, die mit Beschäftigung und Konsum aber auch mit besserer Bildung und medizinischer Versorgung assoziiert wird.

Die vom Staat vernachlässigte Region um die Astrolabe Bucht ist derzeit nur per Schiff oder Flugzeug erreichbar. Die beiden einzigen Autos waren über Jahre die des Distriktverwalters und des deutschen Missionars. Die evangelisch-lutherische Kirche wird sich trotz Gutachten nicht den Erwartungen der Anwohner mit kritischen Einwänden in den Weg stellen (übrigens sehr zum Leidwesen der umweltbewussteren deutschen Partnerkirche). Sie erhofft sich doch ebenfalls umfangreiche Aufträge für die eigene Schiffsflotte.

Doch nicht nur die mit der Mine verbundenen ökologischen Risiken sind enorm. Auch die sozialen Verwerfungen sind kaum kalkulier- und steuerbar. Wie auch in anderen Projektregionen werden nicht nur Verteilungskonflikte, Alkoholismus, Prostitution und Aids Einzug halten, worauf bereits 1999 eine überaus kritische Stellungnahme der nationalen Fischereibehörde verwies. Weitreichender erscheint die Auflösung heute noch intakter, auf kommunaler Entscheidungsfindung wie unabhängiger Nahrungsversorgung basierender lokaler Gemeinschaften, denen angesichts der wegfallenden Lebensgrundlage Natur nur die Geldwirtschaft bleiben könnte. Was dann nach dem Bergbauboom folgen soll, ist ungewiss.

Offensichtlich ist, dass die Politiker des Landes keine Schlüsse aus der ebenfalls in Papua-Neuguinea angesiedelten, seit einem Jahrzehnt auch international heftig umstrittenen Kupfermine Ok Tedi ziehen wollen (Bougainville sollte auch nicht vergessen werden). Auch dort erfolgte die Betriebsgenehmigung unter der Prämisse, man wisse eben zu wenig über die ökologischen Zusammenhänge. Nach 17 Jahren Abbau gelten nahezu 1.000 km2 Regenwald als durch die Sedimentablagerungen erheblich verschmutzt oder gar zerstört.

Roland Seib, Darmstadt, im Dezember 2001