Lijon Eknilang aus Rongelap gestorben

27.08.2012: Atomtest-Überlebende hatte auch in Deutschland über die Folgen radioaktiver Verseuchung berichtet

Lijon Eknilang in Berlin im Februar 2004

Lijon Eknilang aus den Marshall Islands kam im Februar/März 2004 auf Einladung des Pazifik-Netzwerks nach Deutschland, um zum 50. Jahrestag der Explosion der größten atomaren Sprengladung, die die USA jemals gezündet haben, über die Folgen radioaktiver Verseuchung zu berichten (siehe Rundbrief Nr. 60, www.pazifik-infostelle.org/publikationen/43159.html).

Am Morgen des 1. März 1954, Lijons 8. Geburtstag, war auf dem Bikini-Atoll die Wasserstoffbombe mit dem Code-Namen ‚Bravo’ mit einer Sprengkraft von etwa 1000 Hiroshima-Bomben detoniert, wobei Millionen Tonnen von Material in die Luft gerissen wurden und Stunden später als radioaktiver „Schnee“ auf die Bewohner der Inseln Rongelap, Ailinginae, Rongerik und Bikar niederregneten. Auf den Atollen spielten die Kinder im „Schnee“, bekamen Brandblasen und Haarausfall und tranken vom verfärbten Wasser. Erst zweieinhalb Tage später wurde die Bevölkerung evakuiert.

Wie die meisten der Verstrahlten bekam Lijon Eknilang vielfältige Gesundheitsprobleme, hatte Schilddrüsenoperationen, Knötchen in der Brust, Probleme mit den Augen, mit Nieren und Magen, und sie erlitt sieben Fehlgeburten.

Bei Konferenzen in den USA, Japan und Europa hat sie später auf die gesundheitlichen Folgen der radioaktiven Verseuchung der Marshall-Inseln durch insgesamt 67 US-Atomtests aufmerksam gemacht, im Jahr 1995 auch vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag bei einer Anhörung über die Legalität von Atomwaffen (ein Verfahren, das mit der Feststellung endete, dass die Androhung des Einsatzes und der Einsatz von Atomwaffen generell gegen das Völkerrecht und im besonderen gegen die Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts verstoßen).

Lijon beim Erzählcafe des Lorenzer Laden in Nürnberg, März 2004

Lijon Eknilang gehörte auch zu den treibenden Kräften für eine Umsiedelung der Bewohner von Rongelap. Im Jahr 1957 waren sie auf ihre Heimatinsel mit verstrahlten Pflanzen und Fischen zurückgebracht worden, wo sie nicht lebensfähige „Quallenbabies“ oder missgebildete Kinder gebaren, an Schilddrüsentumoren, Leber- und Magenkrebs oder Leukämie erkrankten oder starben. Da die USA eine Umsiedelung ablehnten, gelang es den Atollbewohnern erst 1985 mit Hilfe des Greenpeace-Schiffs „Rainbow Warrior“, auf die Insel Mejato umzuziehen.

Ende August ist Lijon Eknilang im Krankenhaus von Majuro, dem Hauptort der Marshall Islands, gestorben. Bei unseren Veranstaltungen in Berlin, Nürnberg und Hamburg haben wir die warmherzige Art und positive Ausstrahlung von Lijon Eknilang kennengelernt, die so ganz im Gegensatz zu ihren erschütternden Berichten stand. Ihre Botschaft war, aus dem Leid der Bewohner der Marshall Islands zu lernen: „Ich weiß aus erster Hand, welche verheerenden Auswirkungen auch über längere Zeit und größere Entfernungen Atomwaffen haben und was dies, über Generationen hinweg, für unschuldige Menschen bedeutet“, und in ihrem Sinne will sich das Pazifik-Netzwerk weiterhin für die Ächtung aller Atomwaffen einsetzen.

Lijon Eknilang in Majuro, Marshall Islands (2010), mit Pazifik-Netzwerk-Poster in ihrer Wohnung