Mit Tapa und Ukulele - Eine Reise durch den Pazifik

06.11.2008: Tänze und Texte, mit den "Südsee-Perlen", der Band "Ala Moana" und vielen anderen Mitwirkenden, am Do 6. Nov. 2008 im goldbekHaus in 22301 Hamburg (Moorfuhrtweg 9), im Rahmen des "9. interkulturellen festivals eigenarten" (www.festival-eigenarten.de).

Vorgetragene Texte:

Passage aus einem Interview mit Haunani Kay Trask, Leiterin der Fakultät für Hawai’i-Studien an der Universität von Honolulu:

"Der geschätzte Kapitän James Cook kam 1778 hierher und bescherte uns Syphilis, eiserne Fesseln, den Kapitalismus und das Christentum. Als er ein Jahr nach seiner ersten Landung noch einmal zurückkehrte, haben die Hawaiianer ihn deshalb nicht einfach gewähren lassen - wie es unsere polynesischen Vettern anderswo getan hatten. Als es zu gewaltsamen Zusammenstößen kam, haben sie ihn getötet, und zwar völlig zu Recht. Aber die Krankheiten, die Cook eingeschleppt hatte, blieben. Und damit wurde die einheimische Bevölkerung schon in den ersten 20 Jahren nach der Landung Cooks auf die Hälfte dezimiert, und in den nächsten 20 Jahren starb auch davon noch jeder Zweite.

Die Südseeperlen

Geschwächt durch den Zusammenbruch unserer Bevölkerung verloren wir in kurzer Zeit alles, was uns lieb und teuer gewesen war: erst unsere Angehörigen, dann unser Land. 1820 kamen die ersten Missionare. Sie predigten das Christentum und praktizierten den Kapitalismus. 1848 setzten sie die Anerkennung von Privatbesitz an Grund und Boden in Hawai’i durch. Und schon 1878 hatten sie den Hawaiianern den größten Teil ihres Landes geraubt. 1893 schickten die Vereinigten Staaten ihre Marine, so wie sie es seit jeher getan haben und bis heute überall in der Welt tun, um ihre Interessen durchzusetzen. Unsere rechtmäßige Regierung unter Königin Lili’uokalani wurde gestürzt und durch einen weißen Plantagenbesitzer ersetzt. 1898 annektierten die USA unser Land ohne Plesbizit, ohne jede Abstimmung und ohne jede Legitimation. Um 1900 erklärten sie unsere Inseln offiziell zu US-amerikanischem Staatsgebiet. Von 1900 bis 1959 raubten sie uns dann immer mehr Grund und Boden, um darauf Zucker und Ananas für den Export anzubauen. Und 1959, als die Hawaiianer längst schon zur Minderheit in ihrem eigenen Land geworden waren, erklärten sie Hawai’i schließlich zum 50. Bundesstaat der Vereinigten Staaten."
Interview: Karl Rössel; zitiert nach SWR-2-Manuskript "Im Land der 40.000 Götter" (Sendung: 20. Sept. 2001, SWR 2)

Epeli Hau’ofa: Der gewundene Pfad zum Himmel (Ausschnitt)

"Religion und Bildung zerstören die alte Weisheit", schreien die Buchstaben auf dem Rücken von Manus Hemd. "Unter übermäßigem Einfluss" steht auf der Vorderseite. Der Träger des Hemds ist eine der bekanntesten Gestalten in Tiko, und auch wenn Seine Exzellenz der Bekannteste ist, hält Manu doch einen guten zweiten Platz. Offen gesagt, ist Manu der einzige am Ort, der große Wahrheiten ausspricht. Damit soll nicht gesagt sein, unser Land bestehe nur aus Lügnern, wie manche uneingeweihte Fremde zu glauben scheinen. Nein, weit davon entfernt. Die Wahrheit kommt in Portionen daher, manche groß, manche klein, aber niemals ganz. Wie unsere Vorfahren, so haben auch wir großes Geschick im Erzählen von Halbwahrheiten, Viertelwahrheiten und Ein-Prozent-Wahrheiten.

Als Tevita Alanoa seinem Nachbarn ein Schwein stahl und nach seiner Überführung meinte, er habe nur ein Bein gegessen, da war das eine Viertelwahrheit. Und als er erklärte, der bestohlene Nachbar sei der Bruder seiner Mutter und er deshalb kein Dieb, da war das eine Halbwahrheit. Als er sich schließlich zu der Behauptung hinreißen ließ, er dürfe die Schweine seines Mutterbruders nehmen, ohne ihn zu fragen, wofür sein Onkel ihm eins auf die Nase gab, da war das eine Ein-Prozent-Wahrheit.

Mit Halb- und Viertelwahrheiten kommt man ganz gut durch, und tatsächlich tun die meisten das gern und oft. Nicht so leicht ist es dagegen, mit Ein-Prozent-Wahrheiten durchzukommen, wie Tevita an seiner blutigen Nase erkennen konnte. Schon solche Ein-Prozent-Wahrheiten vorzubringen erfordert ein großes Geschick, das man allenfalls nach sechs Jahren moderner Schulausbildung an einem kirchlichen College besitzt.

Semisi Nokutu kehrte einmal nach dem Mittagessen vor allen anderen ins Büro zurück. Er war ein typischer Beamter: halb ehrlich und halb vertrauenswürdig. Als er sich an diesem wunderschönen Nachmittag zwischen den unordentlichen Schreibtischen und Aktenschränken hindurchschlängelte, stieß er an etwas, aus dem vor seinen Augen ein grosser brauner Umschlag auf den Boden fiel. Er hob den Umschlag auf, öffnete ihn, fand darin 200 Dollar, und da er ein halb ehrlicher Beamter war, steckte er 100 Dollar wieder in den Umschlag. Nach der Arbeit ging er nach Hause, legte 50 Dollar für seine Jahresspende an die Missionsstation zur Seite, bat Gott um Vergebung, trank für 25 Dollar Bier und kaufte für den Rest einen hauchdünnen rosa Slip für seine schicke Freundin. Semisi tat immer alles halb, das heißt in zwei Hälften. Und niemand außer ihm und Gott hätte jemals etwas von der Sache erfahren, wäre es nicht zu einem äußerst unglücklichen Vorfall gekommen. Am Vorabend seiner Pensionierung, fünfundzwanzig Jahre nach besagtem Ereignis, hatte Semisi einen Schlaganfall, der seine linke Körperhälfte von Kopf bis zu den Zehen lähmte. Das machte ihn halb wahnsinnig und er bekannte öffentlich alle seine Sünden, darunter auch den Vorfall mit dem Schreibtisch und dem Umschlag. Das nützte ihm jedoch wenig, denn ein zweiter Schlaganfall lähmte auch die andere Körperhälfte und er starb. Auf der Beerdigung erklärte der Prediger, Semisi habe bei Gott Vergebung gefunden und sei ins Himmelreich eingegangen.
Aus dem Englischen von Michael Bischoff, zitiert aus: du 772 - Pazifik. Das Meer der Inseln. Zeitschrift für Kultur. Verlag Niggli, CH-8583 Sulgen. Januar 2007. S. 75-77
Aber auch als "Der gewundene Weg zum Himmel" in: Epeli Hau’ofa: Rückkehr durch die Hintertür. Unionsverlag. 1998. S. 15-21


Selina Tusitala Marsh: Typen wie Gauguin

Danke Bougainville dass du sie jung wünschtest so konnte ein Typ wie Gauguin träumen dann seinen syphilitischen Körper stromabwärts in die Tropen schaffen seine künstlerische Hypothese prüfen dass die Unzivilisierten reifen wie Papayas am besten noch ganz jung von herrlich festem Fleisch sie baumeln wie goldene geschlossene Knospen und brüten Nymphomanie aus für Typen wie Gauguin
Aus dem Englischen von Ingo Herzke und Peter Torberg zitiert aus: du 772 - Pazifik. Das Meer der Inseln. Zeitschrift für Kultur. Verlag Niggli, CH-8583 Sulgen. Januar 2007

Die französischen Atombombentests

Dora, Edith, Nicole, Brigitte, Yvonne, Françoise … die Bohrlöcher auf dem Riff des Moruroa-Atolls tragen Frauennamen. Nach etwa 50 Namen, Bohrungen und unterirdischen Atomexplosionen war auf dem ehemals palmenbestandenen Atollring kein Platz mehr. Dann trieb man die Bohrlöcher in der türkisfarbenen Lagune von schwimmenden Bohrplattformen aus in den Sockel des Atolls. 154 Atombombentests durchlöcherten den Untergrund der Südsee-Atolle Moruroa und Fangataufa, zwischen 1975 und 1996. In den Jahren davor hatten 41 oberirdische Atompilze die Inseln verseucht, radioaktive Niederschläge waren viele tausend Kilometer entfernt in Australien und in den Andenstaaten messbar gewesen.

Die USA, Großbritannien und die UdSSR hatten 1963 den partiellen Atomtestsperrvertrag unterzeichnet, der Nuklearversuche in der Atmosphäre, unter Wasser und im Weltraum verbietet; das öffentliche Entsetzen über radioaktives Strontium in den Milchzähnen amerikanischer Kinder hatte dazu beigetragen. Der Sperrvertrag hinderte Frankreich aber nicht daran, drei Jahre später [2.7.66] die erste atomare Sprengladung in seinem Südsee-Territorium zur Explosion zu bringen, auf einem in der Lagune von Moruroa verankerten Schiff. Die einheimischen Arbeiter wussten nichts über die Gefährlichkeit von Radioaktivität; Fotos der spektakulären Atompilze waren begehrt, in vielen Wohnhäusern hingen sie jahrzehntelang als Poster an der Wand - selbst dann noch, als in vielen Familien schon merkwürdige Krankheiten aufgetreten waren.

Radioaktive Bestrahlung kann zu bestimmten Krebserkrankungen, Fehlgeburten, Missbildungen bei Neugeborenen oder Schädigungen des Immunsystems führen. Das ist in der Wissenschaft bekannt, die polynesischen Arbeiter hatten jedoch keine Ahnung davon, und die französische Regierung sorgte dafür, dass nichts über die Folgen ihrer atomaren Bombenspiele nach draußen drang: Wann immer ein Arbeiter erkrankte, wurde er gleich in ein französisches Militärhospital auf Tahiti gebracht, in schweren Fällen nach Paris ausgeflogen. Zugang zu ihren Krankenakten haben die Polynesier bis heute nicht. Viele Leidensgeschichten gleichen jedoch den Krankheitsfällen in anderen radioaktiv verseuchten Gegenden der Erde. An die Beschreibung der unförmigen sog. "Quallenbabies" von Frauen aus dem amerikanischen Bikini-Atomtestgebiet erinnert das, was Tina Kohumuitini mir schilderte, als ich sie auf Tahiti besuchte. Sie hatte ein gesundes Kind zur Welt gebracht hatte, bevor ihr Mann nach Moruroa ging. Dort war er Bauarbeiter auf dem Atomtestgelände, bestaunte die Atompilze. Nach seiner Rückkehr nach Tahiti ging der Horror los: "Mein Mann", erzählte mir Tina, "wurde schwer krank, und ich habe sechs Kinder verloren. Das erste ist morgens zur Welt gekommen, und abends war es tot. Das zweite ist auch gleich nach der Geburt gestorben. Ein weiterer Junge hat zwei Monate gelebt, ein Mädchen drei Wochen und der letzte Junge acht Monate. Und ich erinnere mich an einen kleinen Jungen, den ich zur Welt gebracht habe: Nach der Geburt wollte ich ihn in die Arme nehmen und an mich drücken, da hat sich seine Haut abgelöst."

Fast alle auf Moruroa Beschäftigten hatten in ihren Arbeitsverträgen unterschrieben, dass sie nicht über ihre Arbeit reden werden - und hielten sich viele Jahre daran, auch aus Angst vor negativen finanziellen Folgen. Erst vor sieben Jahren schlossen sich polynesische Testveteranen zur Vereinigung "Moruroa e tatou" (Moruroa und wir) zusammen: Sie fordern freie Einsicht in ihre Krankenakten, die Öffnung der Archive über die Atomtests, die gesetzliche Anerkennung von Strahlenkrankheiten bei Atomtest-Teilnehmern sowie Entschädigungszahlungen. Doch bis heute weigert sich die französische Regierung, die Menschen in ihrem fernen Übersee-Territorium überhaupt ernst zu nehmen. Frankreich sieht in der Südsee nur die Trauminseln mit den schönen Frauen.
(Interview mit Tina Kohumuitini, geführt von Ingrid Schilsky im Nov. 1985 in Tahiti)

Tusiata Avia: Wild Dogs Under My Skirt

I want to tattoo my legs. Not blue or green but black.

I want to sit opposite the tufuga and know he means me pain. I want him to bring out his chisel and hammer and strike my thighs the whole circumference of them like walking right round the world like paddling across the whole Pacific in a log knowing that once you’ve pushed off loaded the dogs on board there’s no looking back now, Bingo.

I want my legs as sharp as dogs’ teeth wild dogs wild Samoan dogs the mangy kind that bite strangers.

I want my legs like octopus black octopus that catch rats and eat them.

I even want my legs like centipedes the black ones that sting and swell for weeks.

And when it’s done I want the tufuga to sit back and know they’re not his they never were.

I want to frighten my lovers let them sit across from me and whistle through their teeth.
Tusiata Avia: Wild Dogs Under My Skirt. Victoria University Press. 2004. Wellington (New Zealand). ISBN 086473 4743

Das Vorbereitungsteam